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In einem Fall war die Feder der Achse gebrochen, in einem anderen der hintere Radlauf stark verrostet: Die beiden Autos erhielten dennoch eine neue Prüfplakette. Ein 44-jähriger Werkstattbesitzer muss sich nun vor Gericht verantworten, weil er einen Prüfingenieur bestochen haben soll.

Waldenbuch - In einem Fall war die Feder der ersten Achse gebrochen, in einem anderen der hintere Radlauf stark verrostet: Die beiden Autos erhielten dennoch eine neue Prüfplakette. In der Waldenbucher Werkstatt eines 44-Jährigen kam immer mittwochs ein Prüfingenieur der Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS), der die Fahrzeuge in wenigen Minuten abfertigte und kaum etwas beanstandete. Der 61-Jährige sitzt deshalb mittlerweile im Gefängnis. Wie unsere Zeitung exklusiv berichtete, hatte er in tausenden von Fällen ohne Prüfung eine Plakette ausgegeben und dafür Geld kassiert. Mit 20 Werkstätten in sechs Landkreisen soll er kooperiert haben. Am Böblinger Amtsgericht ist nun der Waldenbucher Werkstattbesitzer wegen Bestechung in 20 Fällen angeklagt. Er streitet die Vorwürfe ab.

„Es waren keine Schrottautos“, erklärte der Mechaniker vor dem Schöffengericht. Mit den Prüfungen habe er nichts zu tun gehabt und dem Gutachter auch kein Geld dafür gegeben. Der 44-Jährige behauptete vielmehr, dass der Prüfingenieur eigene Kundschaft in seine Werkstatt bestellte und deren Autos dort ohne sein Wissen durch die Hauptuntersuchung (HU) gewinkt habe, die umgangssprachlich Tüv genannt wird. Ein Lastwagen aus Göppingen diente ihm als Beispiel, der mit der Prüfnummer seiner Werkstatt eine Plakette erhalten hatte: In seiner nur 80 Quadratmeter großen Werkstatt hinter einer Tankstelle würde ein Zweiachser überhaupt nicht hineinpassen, erklärte er. „Die Fahrzeuge sind Ihnen quasi untergeschoben worden?“, fragte der Richter. „So“, antwortete der Angeklagte und nickte.

Der betrügerische Prüfingenieur ist im vergangenen Mai zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Bei dem Prozess am Landgericht erhielten auch fünf Werkstattbesitzer Bewährungsstrafen. Um 477 Fälle ging es bei dem Prozess, in denen in den Jahren 2011 und 2012 unrechtmäßig Hauptuntersuchungen bescheinigt worden waren. Als der Prüfingenieur im März vor drei Jahren festgenommen wurde, fand die Polizei mehr als 210 000 Euro in bar in seinem Mercedes. Für seine Plaketten hatte er zwischen 70 und 150 Euro kassiert, obwohl eine HU nur 53 Euro kostet. In den Kreisen Esslingen, Ludwigsburg, Göppingen, Reutlingen und Tübingen war der 61-Jährige tätig sowie in vier Werkstätten im Kreis Böblingen. Einige Verfahren sind noch anhängig. Auch die Autohalter mussten für den Betrug bezahlen: Die Landratsämter forderten bei 8500 Fahrzeugen eine erneute Hauptuntersuchung.

„Es sind nur wenige Prüfungen tatsächlich rechtmäßig verlaufen“, erklärte der mit dem Fall betraute Kriminalhauptkomissar am Amtsgericht. Auffällig an den 20 Fällen aus der Waldenbucher Werkstatt war bei 14 Fahrzeugen die kurze Prüfdauer und in sieben Fällen wurden bei Nachuntersuchungen erhebliche Mängel gefunden.

Einmal erteilte der 61-Jährige dort innerhalb von 50 Minuten acht Autos die Bescheinigung. Der Betrieb verfügte auch gar nicht über die für Hauptuntersuchungen nötige Ausstattung: Es gibt weder einen Bremsenprüfstand noch ein Lichttestgerät oder eine Anlage zur Abgasuntersuchung. Während die Abgaswerte in einer anderen Werkstatt abgenommen werden können, muss alles andere an Ort und Stelle erledigt werden.

Ob der Angeklagte einen finanziellen Vorteil durch den Plakettenbetrug hatte, steht ebenfalls noch im Raum. Der Staatsanwalt geht zumindest davon aus, dass der Service ihm Kundschaft einbrachte. Dem Kriminalhauptkommissar zufolge nützten Autohändler die betrügerisch erworbene Plakette häufig, um alte Wagen gewinnbringender verkaufen zu können. Da der Angeklagte nicht geständig ist, sind zu dem Prozess 18 Zeugen geladen. Er wird am Mittwoch, 8. Juli, fortgesetzt.