Spurensuche: eine Profilerin des Landeskriminalamts soll den Stuttgarter Richtern bei der Klärung des Mordfalls Nadine E. helfen. Foto: dpa

Im Landgerichtsprozess um den Tod der Mutter zweier Kinder aus Ludwigsburg rekonstruiert eine Profilerin des Landeskriminalamts, wie das Verbrechen abgelaufen sein könnte.

Ludwigsburg - Profiler, Profilersteller oder Fallanalytiker: es gibt viele Bezeichnungen für jene Experten bei der Polizei, die Täter anhand von Indizien am Tatort oder psychologischen Mustern überführen sollen. Bei der Fortsetzung des Prozesses um den gewaltsamen Tod von Nadine E. aus Ludwigsburg befragten die Stuttgarter Richter am Mittwoch eine solche Ermittlerin vom Landeskriminalamt (LKA).

In ihrer Analyse sei es vor allem um die Frage gegangen, ob der Täter, der die 36-Jährige im Oktober 2015 getötet und ihre Leiche anschließend in einem Gebüsch platziert hat, aus dem näheren Umfeld des Opfers stamme – oder ob auch ein völlig Fremder in Frage komme, erklärte die Kriminalbeamtin. Angeklagt in dem Verfahren vor dem Landgericht ist der Ehemann des Opfers. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, seine Frau am Abend des 12. Oktober im gemeinsamen Haus im Stadtteil Eglosheim erwürgt zu haben. Der 43-Jährige beteuert seine Unschuld.

Um eine Antwort auf die Täterfrage zu finden, hat die LKA-Abteilung für operative Fallanalyse versucht, den Ablauf des Verbrechens zu rekonstruieren, auf Basis von Indizien, die im Herbst 2015 vorlagen. „Wir arbeiten mit Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten“, sagte die Profilerin.

Die Tat war „keine Eskalation, sondern gezielt“

In ihren Augen handelt es sich bei der Tötung von Nadine E. um eine gezielte Tat, nicht um die Eskalation eines Streits. „Jemand wollte, dass die Frau stirbt.“ Es habe keinen Kampf gegeben, vielmehr sei das Opfer von der Attacke überrascht oder zuvor betäubt worden. Dazu passt aus Sicht der Expertin auch der Obduktionsbericht, wonach Nadine E. keine Abwehrverletzungen aufwies. Die Frau starb, darin sind sich Experten einig, durch Ersticken, nachdem mit massiver Gewalt auf ihren Hals gedrückt wurde.

Besonders intensiv beschäftigten sich die Profiler mit dem Fundort der Leiche. Polizisten hatten die 36-Jährige nackt im Gebüsch an der Ludwigsburger Reuteallee entdeckt, einen tiefen Schnitt am Hals. Der Täter habe damit wohl ein sexuell motiviertes Verbrechen nachstellen wollen, sagte die Beamtin: „Die Leiche war so drapiert, wie der Täter sich wohl ein Sexualdelikt vorstellt.“ Dass es sich wirklich um ein solches Verbrechen handelt, glauben die Fallanalytiker aber nicht. An der Leiche seien keine Spuren gefunden worden, die auf eine Vergewaltigung hindeuten würden. Der Kehlenschnitt sei wohl gesetzt worden, „um zu schockieren und abzulenken“.

Im Ergebnis gehen die Profiler von einem Täter aus dem „persönlichen Umfeld“ von Nadine E. aus – wobei dies nicht nur den Ehemann, sondern auch den neuen Freund und weitere Personen einschließe, erklärte die LKA-Profilerin. Dass ein völlig Fremder die Tat begangen habe, sei dagegen unwahrscheinlich. Die Ermittlerin räumte aber ein, dass die Fallanalyse zum Tod der 36-Jährigen „außergewöhnlich schwierig gewesen sei“.

Eine Nachbarin schrieb den Ermittlern einen anonymen Brief

Neben den Ärzten und Therapeuten des Angeklagten befragten die Stuttgarter Richter am Mittwoch auch eine Nachbarin der Familie aus Eglosheim. Sie hatte sich während der laufenden Ermittlungen mit einem anonymen Brief an die Polizei gewandt. Darin berichtete sie nicht nur von Eheproblemen im Haus der Familie E., sondern auch von angeblichen Versäumnissen in der Erziehung der beiden kleinen Kinder. „Nadine war keine liebevolle Mutter, sie war überfordert.“

Ihre Informationen habe sie aus abendfüllenden Chats mit dem Angeklagten, sagte die Frau vor Gericht. Dabei sei für den 43-Jährigen nicht klar gewesen, mit wem er sich im Netz unterhielt, denn sie habe unter einem Pseudonym gechattet. Umgekehrt habe sie sehr wohl gewusst, mit wem sie schrieb.

Der Landgerichtsprozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.