Foto: dpa

Weil das Opfer seine Aussagen komplett zurückgenommen hat und den Angeklagte nun heiraten will, wird ein Prozess gegen einen 28-jährigen Mann aus Backnang am Landgericht mit einer eher milden Strafe wegen Körperverletzung enden.

Backnang - Es ist ein eher seltenes Bild, das sich im Verlauf dieser Verhandlung vor der 7. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts bietet. Das mutmaßliche Opfer einer üblen Vergewaltigung samt Prügelorgie, selbst Nebenklägerin im Saal sieben des Landgerichts, tauscht strahlende Liebesblicke mit dem Mann auf der Anklagebank aus. Sie wolle ihn nun aus Liebe heiraten, sagt die 23-Jährige Frau mit iranischer und deutscher Staatsbürgerschaft auf entsprechende Nachfrage des Richters und weist mit Tränen der Rührung in den Augen den Verlobungsring vor, den ihr der 28-jährige Algerier und Vater ihrer 14 Monate alten Tochter bei ihrem Besuch während der Haft in Stammheim geschenkt habe. Laut Anklage soll er sie im vergangenen Jahr aus überbordender Eifersucht und Besitzanspruch nicht nur mehrmals mit Faustschlägen und Tritten gegen Kopf und Körper traktiert, sondern auch auf besonders erniedrigende Weise sexuell missbraucht haben. „Wir haben uns ausgesprochen“, sagt sie jetzt.

Das Opfer zieht die Aussage zurück

Entscheidend für den Prozess ist, dass die 23-Jährige nicht nur ihre kompletten Aussagen gegenüber der Polizei vom Juli des vergangenen Jahres zurückzieht. Damals hatte sie detailliert geschildert, wie sie der Mann, mit dem sie seit etwa eineinhalb Jahren nach islamischem Recht verheiratet ist, übel malträtiert hatte. Nach einer ersten Prügelorgie war offenbar die Polizei alarmiert worden. Diese hatte dem Mann, der seine Frau an den Haaren durch die Wohnung geschleift, ihr wiederholt Faustschläge gegen Schläfe und Tritte gegen Kopf und Leib verpasst hatte, die Hausschlüssel abgenommen und einen Platzverweis erteilt. Anlass des Ausrastens war offenbar ein Smartphone-Chat der jungen Frau mit einem männlichen Gesprächspartner. Am folgenden Tag, so hieß es in der Anklage, sei der 28-Jährige wieder in der gemeinsamen Wohnung in Backnang aufgetaucht – unter dem Vorwand, einige Sachen abholen zu wollen. Dabei kam es zur nächsten Prügelorgie samt übelsten Beleidigungen, Morddrohungen und erzwungenen sexuellen Handlungen unter „Einsatz gefährlicher Gerätschaften“, wie es in der Anklage heißt.

Anklagepunkt wegen Vergewaltigung fallen weg

In einer Erklärung eines seiner Anwälte gestand der Angeklagte die Prügel ein und betonte sein Bedauern darüber. Zu sexuellen Übergriffen sei es nicht gekommen. Weil die Nebenklägerin ihre Aussagen dazu widerrufen hat und auch die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht rückgängig machen ließ, werden die diesbezügliche Vorwürfe im weiteren Verlauf des Prozesses keine Rolle mehr spielen.

Stattdessen ist gleich am ersten Verhandlungstag mit den Beteiligten eine Verständigung ausgehandelt worden. Bei einem umfassenden Geständnis bezüglich der Körperverletzung garantiert das Gericht dem mehrfach wegen Diebstahls und versuchter Körperverletzung vorbestraften Algerier einen Strafrahmen von mindestens sechs und höchstens neun Monaten Haft ohne Bewährung. Angesichts der bereits verbüßten fünf Monate Untersuchungshaft seit August vergangenen Jahres könnte er nach dem Urteil frei kommen.

Genau dies hatte die Nebenklägerin als Wunsch formuliert: „Ich möchte, dass er aus dem Gefängnis kommt. Es tut mir weh ihn so zu sehen.“ Das Urteil wird demnach voraussichtlich am nächsten Verhandlungstag gesprochen.