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Zehntausende demonstrieren gegen das Bahnprojekt und zeigen Geschlossenheit.

Stuttgart - Erneut haben in Stuttgart zehntausende Menschen gegen das umstrittene Milliardenprojekt "Stuttgart 21" protestiert. Nach Veranstalterangaben kamen trotz Regenwetters mehr als 25.000 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Schlossplatz. Die Polizei sprach von 18.000 Teilnehmern. Die Veranstaltung verlief friedlich.

Mehrere Redner forderten die Gegner des Projekts auf, in ihrem Widerstand nicht nachzulassen - neben Vertretern des Aktionsbündnisses auch der Kabarettist Matthias Deutschmann, Loveparade-Erfinder Dr. Motte sowie der Liedermacher Konstantin Wecker.

Schweigeminute für Herrmann Scheer

In einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Kundgebung dem am Donnerstag überraschend verstorbenen SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer.

Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen "Stuttgart 21", Gangolf Stocker, begrüßte die am Freitag auf den Weg gebrachten Schlichtungsgespräche und verteidigte die Zugeständnisse an Bahn und Landesregierung. "Hätten wir das nicht gemacht, würde weiter gebaut da unten", sagte er. Zugleich forderte er die Gegner des Protests auf, in den Protesten nicht nachzulassen. "Der gewaltlose Widerstand muss weitergehen", sagte er. Er forderte die Gegner des Projekts auf, auf die Befürworter zuzugehen.

Özdemir fordert Einhaltung der Friedenspflicht

Grünen-Chef Cem Özdemir, der ebenfalls an der Kundgebung teilnahm, zeigte sich zufrieden, dass sich Gegner und Befürworter gemeinsam an einen Tisch setzen wollten, um nach einer Lösung in dem festgefahrenen Konflikt zu suchen.

Jetzt gehe es darum, Vermittler Geißler zu unterstützen. "Er hat sich einen der schwersten Jobs, die derzeit in der Bundesrepublik zu vergeben sind", sagte Özdemir.

In den Gesprächen müssten jetzt "alle Karten auf den Tisch". Er forderte Bahn und Landesregierung auf, sich an die Friedenspflicht zu halten und keine weiteren Aufträge mehr auszuschreiben.

Die Demonstrationen gingen indes in Ordnung, betonte der Grünen-Chef. Das habe Geißler selbst noch einmal betont. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sei von der Friedenspflicht nicht berührt. Zugleich äußerte Özdemir Verständnis für die Parkschützer, betonte aber, dass es wichtig sei, "dass die Verhandlungen fortgesetzt werden".

Parkschützer rechtfertigen ihre Haltung

Die Parkschützer hatten die "andauernde Blockadehaltung" der Projektträger kritisiert und am Freitag ihren Rückzug aus den Gesprächen verkündet.

Ein Sprecher der Parkschützer, Jürgen Hugger, verteidigte diesen Schritt am Samstag. Es sei eine "Frechheit", dass im Park weiter gebaggert werde, ohne dass zuvor der umstrittene Polizeieinasatz von vor drei Wochen, bei dem mehr als hundert Menschen verletzt worden waren, aufgeklärt worden sei. Es sei jedoch normal, dass man in einem Bündnis auch mal verschiedener Meinung sei. Daran werde das Bündnis nicht zerbrechen. Er kündigte an, dass die Parkschützer ihren Protest fortsetzen wollten. "Für uns gilt nicht die Friedenspflicht", betonte er.

"Wir lassen uns nicht auseinander dividieren"

Axel Wieland, Regionalvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), versicherte: "Wir bleiben zusammen im Bündnis. Wir lassen uns nicht auseinander dividieren." Wieland hob zudem hervor, das Aktionsbündnis gegen "Stuttgart 21" sei nicht generell gegen Großprojekte. Diese müssten jedoch sinnvoll sein. "Es besteht nicht die Gefahr, dass Deutschland unregierbar wird", versicherte er und äußerte die Hoffnung, dass sich eine neue Form von Demokratie herausbilden könnte.

Loveparade-Erfinder Dr. Motte stellte sich hinter die Projekt-Gegner. Das Geld, das für das Bahnhofsprojekt verschwendet werde, fehle am Ende bei der Bildung: Er versicherte: "Die Botschaft ist auch in Berlin angekommen. Oben bleiben. Berlin steht hinter Euch."