Seit 2009 fährt die S 1 nach Wendlingen: Die Trasse ist eigentlich aber nur ein Provisorium. Foto: Max Kovalenko/PPF

Nach einer Vereinbarung aus dem Jahr 2005 ist die jetzige Trasse durch die Stadt nur ein Provisorium. Die Bahn testet dort jetzt ein Schienenschmiersystem, der Bürgermeister will aber mehr.

Wendlingen - Am 13. Dezember 2009 fuhr die erste S-Bahn nach Kirchheim. Seither ist auch Wendlingen über die S 1 an die schnelle Schiene angebunden – sehr zur Freude auch von Bürgermeister Steffen Weigel. Dennoch prescht er nun vor und will die Bahn an den Stadtrand verlagern: Grund sind immer mehr Beschwerden von Anwohnern vor allem im Bereich Talstraße, wo die Bahn im sehr engen Bogen fährt und kreischt und quietscht. Zum Jahreswechsel sollen dann auch noch die Nachtbusse durch S-Bahnen ersetzt werden: „Dann werden die Anwohner nachts stündlich geweckt“, sagt Weigel.

Dass die S-Bahn in Teilen Wendlingens mehr Lärm macht als gedacht, hat offenbar auch die Bahn erkannt. Sie testet deshalb dort wie an neun anderen Standorten in Deutschland eine Schienenschmieranlage. Die Erfolge bewerten die Anwohner bisher als eher mäßig. Steffen Weigel will deshalb die große Lösung. Er erinnert an Zusagen an die Stadt, dass die heutige Führung auf dem Bahngleis nur ein Provisorium sei und später dann ein Gleis zwischen dem südlichen Stadtrand und der Autobahn gebaut werden solle. Im aktuellen Regionalplan sei dafür eigens eine Freihaltetrasse enthalten.

Aus Weigels Sicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Pläne aus der Schublade zu ziehen. Er will den Bau mit dem der neuen ICE-Trasse nach Ulm verknüpfen, konkret mit der neuen Einschleifung der Güterzüge bei Wendlingen als Verbindung zwischen dem Gleis nach Tübingen und der Neubaustrecke nach Ulm. Die künftige S-Bahn-Trasse müsste aus Weigels Sicht wie heute aus Richtung Plochingen bis zum Bahnhof fahren, von dort auf dem Bahngleis Richtung Tübingen und zwischen dem südlichen Stadtrand und der Autobahn im großen Bogen bis zum östlichen Ortsrand. Dort wünscht sich Wendlingen seit Jahren eine zusätzliche Haltestelle im Siedlungsgebiet Im Speck beim Sportpark und Wohngebiet Lauterpark. Bisher ging Weigel davon aus, dass diese Option besteht, falls Wendlingen bereit wäre, die Haltestelle selbst zu finanzieren. Doch dieser Traum ist geplatzt: Seit feststeht, dass die Züge der Linie 1 mit Stuttgart 21 auch an der Haltestelle Mittnachtstraße in Stuttgart halten, ist ein zusätzlicher Halt Im Speck tabu, weil dann die Umlaufzeiten in Kirchheim nicht eingehalten werden können – der Umkehrpunkt in Kirchheim würde auf der eingleisigen Strecke nicht mehr rechtzeitig erreicht.

„Die Anwohner gehen davon aus, dass die Umgehung kommt“

So bleibt es für die Haltestelle wohl bei einem Wunsch, die Umgehungstrasse der S-Bahn will Weigel aber verwirklicht sehen. Und: „Die Anwohner gehen davon aus, dass die Umgehung kommt. Wenn nicht, muss man das den Leuten klar sagen und auch, wie man das Lärmproblem dann in den Griff bekommen will“, fordert Weigel.

Klaus Neckernuss, Amtsleiter Kommunalaufsicht und öffentlicher Nahverkehr beim Esslinger Landratsamt, erinnert sich gut, dass es eine Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Kreis, der Stadt Wendlingen und allen anderen durch die S-Bahn-Trasse tangierten Kommunen gibt. In dieser Vereinbarung stehe in der Vorbemerkung, es sei langfristig Ziel der Stadt Wendlingen, die Bahnübergänge durch eine Umfahrung zu beseitigen. Über die Existenz dieser Vereinbarung besteht Konsens zwischen Kreis und Stadt. Neckernuss sagt aber auch, es habe damals 2004/2005 mehrere Trassenvarianten für die Umfahrung gegeben, eine auch, die zweimal die Autobahn unterfährt und damit auch südlich der Autobahn verläuft. Er gibt Steffen Weigel recht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, mit diesem Anliegen vorzupreschen, schon wegen der neuen Nacht-S-Bahnen: „Das ist dann noch eine neue Qualität in puncto Lärm.“

Eine verbindliche Kostenrechnung, was die Umfahrung kosten würde, gibt es nicht, schon weil keine konkrete Planung existiert. Jürgen Guillard, Referent für Verkehrswirtschaft beim Verband Region, erinnert sich aber, dass die S-Bahn-Verlängerung von Plochingen bis Kirchheim, wie sie heute ist, rund 35 Millionen Euro gekostet hat. Die Weiterführung um Wendlingen herum war in den 1990er Jahren mit 150 bis 180 Millionen Mark (rund 80 Millionen Euro) veranschlagt. „Damals“, sagt Guillard – „heute würde das wohl Euro entsprechen“. Alle Beteiligten hätten damals gesagt, besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. „Die Verlegung wurde dann als Option in den Verträgen niedergelegt.“