Stripperinnen arbeiten mit gewöhnlichem Vertrag, Prostituierten ist dies verboten. Derlei erfuhren CDU-Politiker bei ihrem Besuch im Leonhardsviertel. Foto: dpa

Vier Christdemokraten lassen sich von einem Bordellbetreiber seine Sicht auf die Prostitution erklären. Der Besuch im Bordell ist für sie eine Art Fortbildung.

S-Mitte - Doch, die Stripperinnen sind fest angestellt, „mit ganz normalem Arbeitsvertrag, unbefristet“, sagt John Heer. Ob die Damen „auf 450-Euro-Basis arbeiten“, will Klaus Nopper wissen. Nein, als Maßstab für die Bezahlung mag gelten, dass, wer einen Strip buchen möchte, mit 200 Euro rechnen muss – für einen viertelstündigen Auftritt.

Dies wird nicht die einzige neue Information sein, die vier Stadträte der CDU an diesem Nachmittag aus einem Bordell im Leonhardsviertel mitnehmen, namentlich neben Nopper Iris Ripsam, Beate Bulle-Schmid und Fritz Currle. Heer ist der Bordellbetreiber. Eigentlich ist er Immobilienkaufmann. Vor drei Jahren hat er zwei Häuser übernommen, die seit Jahrzehnten zur Prostitution genutzt werden.

Er hat eingeladen zum „Tag der offenen Tür im Bordell“, wie er sagt. Der Gemeinderat, glaubt Heer, trifft Fehlentscheidungen, die auf Vorurteilen oder falschen Informationen fußen. Das will er ändern. Er hat alle Fraktionen eingeladen, „damit Sie nicht nur die Seite der Verwaltung hören“, sagt er den vier Christdemokraten. Abgesehen von CDU und AfD hatte keiner Interesse.

Jeder Besucher darf jede Prostituierte befragen

Später wird er durchs Haus führen, durch die oberen Stockwerke, in denen sich die Frauen nicht auf einer Bühne ausziehen, sondern gegen Geld Sex anbieten. In der Führung enthalten ist das Versprechen, dass jeder Besucher jede Prostituierte fragen kann, was ihn interessiert. Die Erkenntnis des Rundgangs wird weniger sein, dass die Frauen bestätigen, was der Bordellbetreiber zuvor über ihre Arbeitsbedingungen erzählt hat.

Die Erkenntnis wird eher eine über die Freier sein. Eigentlich sollte der Betrieb zwei Stunden lang ruhen. Nachdem die Diskussion im Erdgeschoss länger als anderthalb Stunden dauerte, haben die Damen wohl vermutet, dass die Besucher nicht mehr zu ihnen kommen werden. Sie stehen in Unterwäsche vor ihren Zimmertüren. Die Freier strömen ins Haus, nachmittags um halb drei, Durchschnittstypen, zwischen 20 und 30 Jahre alt, die mit dem Handy noch schnell ein paar Nachrichten absetzen. Kaum einer von ihnen verständigt sich auf Deutsch.

Ähnliches gilt für die Huren. „85 Prozent sind aus Rumänien oder Bulgarien, das gilt bundesweit“, sagt Heer. Nopper will wissen, ob auch Prostituierte angestellt arbeiten. Das wäre strafbar. Zwar hat im Jahr 2002 die damalige rot-grüne Bundesregierung versucht, die Prostitution per Gesetz zum gewöhnlichen Beruf zu erklären, ganz wie Flaschner oder Kosmetikerin, aber sie hat gleichzeitig untersagt, Prostituierten in Verträgen Arbeitsort, Arbeitszeit oder gar einen Verdienst vorzuschreiben.

Die Tarife beginnen bei 30 Euro für den schnellen Verkehr

Heer erzählt, dass die Frauen bei ihm 130 Euro Miete pro Zimmer und Tag zahlen, dass ihre Tarife bei 30 Euro für den schnellen Verkehr beginnen. Die halbe Stunde mit der Dame der Wahl kostet 80, die ganze 130 Euro. Freier, die draußen auf dem Straßenstrich feilschen, können hingegen Schnäppchen bis hinunter auf zehn Euro schlagen, je nachdem, wie an diesem Tag bisher das Geschäft lief. Die zunehmende Flohmarktmentalität, erzählt Heer, nerve seine Frauen genauso wie die immer häufigere Frage nach Sex ohne Kondom.

Wir sind die Guten – das ist seine erste Botschaft. Er schwört, dass Zuhälter in seinem Haus sofort vor die Tür gesetzt würden oder dass auf jedem Zimmer Broschüren über Geschlechtskrankheiten ausliegen, mehrsprachige. Der Gesetzgeber ist ahnungslos – das ist seine zweite Botschaft. Er zählt Beispiele auf. Ganz oben will die Bundesfamilienministerin Prostituierten verbieten, in den Zimmern zu übernachten, in denen sie arbeiten. Weil sie oft nur ein paar Wochen, manchmal Monate, in einer Stadt anschaffen, müssten sie Geld für ein Hotelzimmer zusätzlich verdienen. Ganz unten scheitert die Stadt seit Jahren daran, die über Stuttgart verteilten illegalen Bordelle zu schließen.

Wie viel die kommunalpolitischen Besucher von dem glauben, was ihnen der Bordellbetreiber erzählt, bleibt offen. Am Ende gilt ihnen gleichsam als Fazit des Besuchs: „Der Verwaltung täte es auch einmal gut, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.“ So sagt es Iris Ripsam, die frauenpolitische Sprecherin der CDU.