Eines der umstrittenen Plakate Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

OB Kuhns Kampagne gegen Zwangs- und Armutsprostitution schlägt weiter hohe Wellen. Die drastische Wortwahl wird weder von Kirchenvertretern, noch von Sexarbeiterverbänden gern gesehen. Die Begründungen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein.

Stuttgart - Dass Kirche und Sexarbeiterverbände die gleichen Ansichten teilen, kommt durchaus selten vor. Bei OB Fritz Kuhns (Grüne) Plakatkampagne gegen Zwangs- und Armutsprostitution, die seit einer Woche im gesamten Stadtgebiet zu sehen ist, sehen aber beide deutlichen Verbesserungsbedarf. In der Wortwahl hätten sie sich mehr Feingefühl gewünscht, auch wenn sie sehr unterschiedlich argumentieren. Besonders die Plakate mit der Aufschrift „Nutten sind Menschen“ und „Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar“ lösen Kontroversen aus.

Vosseler hält nichts vom F-Wort

Vor allem an letzter Formulierung stört sich Matthias Vosseler, Pfarrer der evangelischen Stiftskirche. „Das F-Wort hat im öffentlichen Raum nichts verloren. Nicht nur wegen der Kinder, auch ich als Erwachsener empfinde das als anstößig“, so der 46-Jährige. Darum plädiert er dafür, das Wort durch ein anderes zu ersetzen. Einen konkreten Vorschlag hat er allerdings nicht parat, das Wort „Geschlechtsverkehr“ als denkbare Alternative sei wahrscheinlich nicht stark genug.

Denn aufrütteln soll sie, die Kampagne, findet Vosseler. Der Pfarrer findet die Aktion im Grunde sehr gelungen – bis auf die Tatsache, dass männliche Prostituierte keine Beachtung darin finden. „Da wird ein kleiner, aber nicht unwichtiger Teil ausgeschlossen.“ Die Stricherszene in Stuttgart hat sich in den letzten Jahren zwar von der Straße weg stark ins Internet verlagert, existiert aber noch immer.

An dem Plakat mit der Aufschrift „Nutten sind Menschen“, das von der CDU scharf kritisiert wurde und das auch viele Prostituierte als ehrenrührig empfinden, da „Nutte“ ein Schimpfwort sei, hat der Pfarrer dagegen nichts zu bemäkeln. „In der Bibel ist auch von Huren die Rede“, begründet der Geistliche seine Haltung.

Sexarbeiterverbände sind empört

Ganz anders sehen das Sexarbeiterverbände. Undine de Rivière, eine Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) ist empört über die Kampagne und sieht dadurch ihren Berufsstand in Misskredit gebracht. „Die Sprache, die da verwendet wird, ist diskriminierend“, sagt sie. Kolleginnen hätten gesagt, ihnen sei schlecht geworden, als sie davon gehört hatten.

Als gelungenes Beispiel, wie man etwas für ihren Berufsstand tun kann, führt de Rivière Kampagnen von Aidshilfeverbänden an: „Kondome auf dem Straßenstrich zu verteilen ist auch öffentlichkeitswirksam, sinnvoll und vor allem nicht beleidigend.“

Auch den angeblichen Kampf gegen Armutsprostitution hält de Rivière für geheuchelt. „Wie soll denn ein Freier auf so eine Forderung reagieren? Lieber zu einer reichen Prostituierten gehen?“, so die Hamburgerin weiter. Außerdem stehe auf der Webseite der Kampagne zwar viel, wie die Stadt gegen illegale Prostitution vorzugehen pflege, aber nichts, was die Arbeitsverhältnisse in der Branche wirklich verbessern würde. In den nächsten Tagen will der BesD in einer Presseerklärung ausführlich Stellung beziehen zu Kuhns Kampagne.