Bilder einer Ausstellung: Laura Grundmann, Annika Gimpel und Elias Gliniorz präsentieren zwei ihrer Motive. Foto: factum/Bach, privat

Ein Projekt von Jugendlichen mündet in eine besondere Foto-Ausstellung im Rathaus.

Korntal-Münchingen - Es sind kurze Momente, Augenblicke, intensive Sekunden. Es hat nur wenige Minuten gedauert, bis es soweit war. Dann klickt die Kamera – und kurz darauf ist alles wieder auf Distanz, so wie vorher. Zehn junge Leute aus Korntal haben sich mit Luise Schadt, der Jugendreferentin der katholischen Kirche, an ein Projekt gewagt: Menschen zusammenzubringen, die sich nicht kennen – so, dass sie sich umarmen oder so nahekommen, wie das Wildfremde normalerweise nicht tun. Daraus entstand eine Fotodokumentation. „Fremd-Kontakt Teil zwei“ ist jetzt im Korntaler Rathaus zu sehen.

„Was die können, können wir auch.“ Das war die erste Reaktion von Luise Schadt, als sie im Fernsehen einen Bericht sah über das Fotokunstprojekt „Fremd-Kontakt“ in Bern. Da hatte der Fotograf Martin Bichsel mit Kollegen einander fremde Menschen auf der Straße angesprochen – ob sie bereit wären, einem anderen nahe zu kommen oder denjenigen zu umarmen. Das wollte der Fotograf dokumentieren. „Wir haben diese Superidee einem amerikanischen Kollegen abgeschaut“, erzählte Bichsel bei der Vernissage. Zehn, zwölf Mal seien sie je etwa zwei Stunden unterwegs gewesen, am Schluss gab es 70 Motive für Ausstellungen und ein Buch. Die Fotos sind nur mit der Kamera, ohne Blitz oder andere Tricks, entstanden. Eine beeindruckende Reihe.

Texte zu den Fotos hinzuerfunden

Bichsel reagierte positiv auf die Anfrage von Luise Schadt, gab Tipps für das Korntaler Projekt, kam jetzt mit Fotos zur Ausstellung. Die zehn Jugendlichen hätten seine Arbeit nicht nachgeahmt, sondern „ein eigenes Projekt, etwas ganz anderes“ gemacht. Sie ergänzten ihre Fotos um Texte. Bei den Berner Bildern musste sich der Betrachter deren Entstehung denken, in Korntal entstanden dazu Geschichten. Die sind zwar gut erfunden worden, und manche wirken wie ein Märchen, aber sie könnten gut zu den Abgebildeten passen.

Beim Projekt haben die Jugendlichen reiche Erfahrungen gemacht – an einem Nachmittag. „Wir wollten wissen, wie die Leute reagieren“, sagt Laura Grundmann (15); sie bildete mit Annika Gimpel (15) und Elias Gliniorz (16) ein Team. „Bis wir ein Paar hatten, mussten wir zehn Personen fragen“, berichtet Annika. Viele Menschen hätten sich Zeit genommen, nur ein Mann sei unverschämt gewesen. Nicht nur Elias hat das Ganze Spaß gemacht – besonders die Fotos. „Die Leute sollten natürlich wirken, die Bilder nicht aussehen wie gestellt.“

Wie eine Begegnung von Freundinnen

Das ist den jungen Fotografen gelungen, auch den anderen beteiligten Teams: Ob es die Mutter mit ihrem Buben auf dem Fahrrad ist, ob der junge Mann mit dem älteren Herrn auf seinem elektrischen Rollstuhl, oder die Frau mit dem Schüler auf der Bank. Wie eine Begegnung von Freundinnen wirkt das Foto mit den beiden Mädchen auf dem gelben Sofa, und das Foto mit den beiden älteren Herrschaften strahlt eine schöne Natürlichkeit aus.

Wie hat eine Frau die Situation erlebt, die im Döner-Imbiss angesprochen wurde? Leila Kaya war mit ihrem vierjährigen Sohn am Bahnhof essen. „Da kamen zwei Mädchen auf mich zu“, erzählt sie. Ihr Ansinnen sei überraschend gewesen, sie habe sich aber nicht überrumpelt gefühlt. Sie habe keine Bedenken gehabt und sich mit dem älteren Mann aus dem Imbiss gerne fotografieren lassen. So kam eine Szene zustande, die wie ein vertrautes Treffen dreier Generationen anmutet – aber einander Fremde in sich vereint. Samt den Überresten der Pommes. Ein gelungenes und typisches Beispiel für dieses Projekt.

Termin: Die Ausstellung „Fremd-Kontakte zweiter Teil“ im Korntaler Rathaus ist zu sehen bis zum 20. September: montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, zudem mittwochs von 14 bis 18 Uhr. Am Stadtfest-Wochenende ist samstags und sonntags geöffnet von 15 bis 18 Uhr.