Kostümprobe mit Sänger Alf Setzer und Gartenbesitzer Nils Büttner (rechts) Foto: Peter Petsch

Im Rahmen der Aktion Private Paradiese der Kulturregion gewährt Nils Büttner exklusive Einblicke in seinen Garten in Nähe der Kunstakademie am Weißenhof. Für die musikalische Unterhaltung sorgt die Akademische Betriebskapelle.

Stuttgart - Garten Eden nennt die Kulturregion ihr aktuelles Jahresprojekt und hat im Frühling die Bürger im Großraum Stuttgart aufgerufen, ihren eigenen Garten als ein Paradies der Künste vorzustellen. Die diesbezügliche Leitfrage: „Was ist Deine Vision vom Paradies?“ Die fünf kreativsten der 30 Vorschläge wurden aufgegriffen. Bis Ende September geben die Teilnehmer ihre Obstflächen, Gartenlauben oder bewachsenen Hinterhöfe für Auftritte von Artisten, Gauklern oder Musikern frei und präsentieren so einer kleinen Öffentlichkeit ihre persönliche künstlerische Visionen des Garten Eden.

Zu jenen von der Jury Auserwählten gehört Nils Büttner. Ästhetik, Gestaltung, Schönheit, all das sind für den 47-Jährigen keine Fremdwörter. Schließlich ist der ursprünglich aus Bremen stammende Zweimetermann im Hauptberuf eben nicht Landschaftsgärtner., sondern Professor: Seit Oktober 2008 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste am Stuttgarter Weißenhof. Glückliche Fügung war es, dass er fußläufig zu seinem Arbeitsplatz ein Haus für Gattin und die zwei Kinder finden konnte. Das hat zudem den Vorteil, dass Besucher der Akademie falls nötig binnen weniger Minuten Büttners Domizil ansteuern können. So wie mindestens einmal im Jahr, wenn Büttner als besonderes Begleitprogramm zum weithin bekannten Aka-Sommerfest rund 160 Gäste zu einer Art „Open House“ in seinen Garten lädt, wenn auch nicht alle zur gleichen Zeit. „Sie sehen, Trubel in unserem Garten ist nichts Ungewöhnliches.“ Dabei ist es eher ein kleines Refugium für die Bewohner jenes zur Weißenhofsiedlung gehörenden Einfamilienhauses, das der Architekt Adolf Gustav Schneck, der selbst auch an der nebenangelegenen Kunstakademie unterrichtete, 1928 entworfen hat.

Dass Büttner seinen Rückzugsort nun erneut für eine ganze Masse Mensch öffnet, hat jedoch noch einen speziellen, fast 100 Jahre zurückliegenden Hintergrund. Denn seine Vorfahren waren befreundet mit der jüdischen Familie Bromberger, die in den 1920er Jahren nachhaltig das Bremer Kulturleben prägte. Der Pianist und Komponist David Bromberger veranstaltete häufig Hausmusiknachmittage, „zu denen auch meine Altvorderen eingeladen waren“, so Büttner.

Bekannte zu originellen Veranstaltungen ins eigene Haus oder den eigenen Garten einzuladen ist also eine Familientradition, die Büttner nun auch beim Paradies-Projekt weiterführen will. „Wir schlagen eine Brücke von den Roaring Twenties, also den wilden Zwanzigern, in die Gegenwart“, sagt der Professor, und zwar im doppelten Sinne: Zum einen eben in der Fortsetzung der Bremer Familientradition, zum anderen in einer Zeitreise, beginnend mit der Entstehung der Weißenhofsiedlung 1927/1928 bis in die Gegenwart. „Dies hier ist eben kein Museum, hier ist was los, hier leben lebendige Menschen, alle Häuser sind bewohnt.“

Auf der 20 Zentimeter hohen Holzbühne in der Gartenecke werden morgen einige Kollegen Büttners auftreten. Es sind sechs Dozenten, die diese Akademische Betriebskapelle bilden. Sie stecken in fantasiereichen Kostümen der Künstlerin Justyna Koeke und wollen das Areal in ein absurdes Paradies verwandeln. „Mit unserer Performance knüpfen wir an die Freakshows des 19. Jahrhunderts und den Rock'n'Roll-Circus der 1970er Jahre an“, berichtet Sänger Alf Setzer (ansonsten Steinbildhauer an der Aka) im Rahmen einer Kostumprobe auf der Minibühne. Ihn bezeichnet Büttner ironisch als „unser Gott“ und kündigt im Übrigen auch Auftritte von Adam und Eva an, denn die seien im Garten Eden unverzichtbar.

Pech für alle, die nun kurzfristig ins Paradies pilgern wollen: Die maximal 50 Karten sind längst weg, sie waren nach drei Tagen ausverkauft. Die Kulturregion sorgt morgen per Sicherheitsdienst dafür, dass sich keine Unbefugten einschleichen oder Zaungäste die Veranstaltung (oder Nachbarn) stören.

Doch immerhin: Es gibt im September ja noch drei weitere Veranstaltungen, in denen Gartenbesitzer mit kulturellen Originalitäten locken – und hierfür gibt es durchaus noch Tickets. Infos und Bestellung über die Kulturgemeinschaft Stuttgart unter Telefon 07 11 / 2 24 77 20) oder im Internet.

www.kulturgemeinschaft.de