Daniel Gehring, Rzgar Al-Bewani und Laura Krautheimer (v.l.) sammeln Stoffbeutel für ihr Projekt Green Kurdistan. Foto: Wiebke Wetschera

Rzgar Al-Bewani und Studierende der Umweltgewerkschaft haben das Projekt „Green Kurdistan“ gestartet, um die Umwelt in Kalar durch weniger Plastiktüten zu schützen.

Vaihingen - Als Rzgar Al-Bewani seiner Mutter von seinem geplanten Projekt erzählte, reagierte diese zunächst skeptisch. Sie benutze schon seit 50 Jahren Plastiktüten, warum also solle sie das ändern? Doch genau das ist es, was Rzgar Al-Bewani mit dem Projekt Green Kurdistan erreichen will. Er will bei den Menschen in seinem Heimatland Kurdistan ein Bewusstsein für die Schädlichkeit von Plastiktüten entwickeln und Stoffbeutel etablieren. „Ich muss die Leute überzeugen, dass es für ihre eigene Gesundheit und die Umwelt wichtig ist“, sagt Al-Bewani.

Die Situation in seiner Heimatstadt Kalar hat ihn auf die Idee gebracht, das Projekt zur Reduzierung von Feststoffabfall in Kurdistan zu initiieren. Im August 2015 kam Al-Bewani nach Stuttgart, um an der Universität in Vaihingen seinen englischsprachigen Master in Umweltschutztechnik zu beginnen. Dort fand der 25-Jährige Unterstützung für seine Idee. Laura Krautheimer, die als Hilfswissenschaftlerin im Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik arbeitet, erzählte der Umweltgewerkschaft von Al-Bewanis Idee. Vier Studierende der Gewerkschaft arbeiten seitdem gemeinsam mit Al-Bewani an dem Projekt. „Ohne die Umweltgewerkschaft hätte ich das nie geschafft“, sagt Al-Bewani.

Stoffbeutel für Kalar

Bei jedem Einkauf erhalten Kurden in Kalar eine kostenlose Plastiktüte – auch wenn der Einkauf nur aus einer Kleinigkeit besteht. Aber niemand weiß, wie die Plastikbeutel hergestellt werden und welche Folgen die nicht abbaubaren Tüten für die Umwelt haben können. „Das ist eigentlich ein leicht lösbares Problem“, sagt Al-Bewani. „Aber der Anfang ist schwer.“

Mit 30 gesammelten Stoffbeuteln im Gepäck machte der Master-Student sich im April dieses Jahres auf den Weg in seine Heimatstadt, um dort die Taschen zu verteilen. „Alle fanden die Idee super, aber sie haben Angst, damit zu beginnen“, sagt er. Das merkte er auch, als er gemeinsam mit seinem Bruder mit einem Stoffbeutel in einem Supermarkt einkaufen ging. Als er beim Bezahlen an der Kasse keine Plastiktüte wollte, war der Kassierer irritiert. Als Al-Bewani ihm seine Stofftasche zeigte und von seinem Projekt erzählte, lobte der Mitarbeiter ihn für die Idee. Er sagte aber auch, dass er den Leuten eine Plastiktüte geben müsse, damit sie ihren Einkauf transportieren können. „Wenn man der Einzige mit einem Stoffbeutel ist, dann ist das für denjenigen erstmal komisch“, sagt Al-Bewani. „Aber wenn alle einen haben, wird es plötzlich ganz normal.“

Während seines Besuches in der Heimatstadt führte Al-Bewani viele Gespräche mit Professoren, Ingenieuren und Einwohnern. Und er gründete so eine Gruppe von Unterstützern vor Ort, zu der auch einige Freunde und seine Brüder gehören. „Wir haben zwei Optionen für das Projekt: Entweder wir starten unsere Kampagne in der Stadt, indem wir die Beutel dort verteilen“, sagt Al-Bewani. „Oder wir gehen in die Schulen, um das Denken durch Bildung zu verändern.“

Zunächst startete das Projekt mit der Verteilaktion und einigen Gesprächen vor Ort. Zurzeit sammelt die Umweltgewerkschaft Stoffbeutel, die per Post an die Unterstützer des Projekts in Kalar geschickt werden. Damit wollen sie auch den Second-Hand-Gedanken in Deutschland unterstützen. Ein Paket mit etwa 20 Beuteln haben die Studierenden sogar aus Kiel erhalten. Die gespendeten Stofftaschen schickt Al-Bewani bisher auf eigene Kosten nach Kurdistan.

Ein Projekt folgt dem nächsten

Langfristig wollen die Beteiligten über die Verteilung der Taschen hinaus Aktionen in Schulen starten, um durch Bildung ein Bewusstsein für den Schutz der Umwelt durch Stoffbeutel zu schaffen. „Wenn Kinder schon in jungen Jahren darüber informiert werden, dann behalten sie das Verhalten auch im erwachsenen Alter bei“, sagt Krautheimer. Zunächst plant Al-Bewani selbst Präsentationen an den örtlichen Schulen zu halten, um sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte über das Problem aufzuklären. Langfristig hofft er dann auf die Unterstützung der Lehrer: „Wenn ich den Lehrern die Idee dazu gebe, dann werden sie das alleine regeln können“, sagt Al-Bewani. „Vielleicht können sie sogar ein Unterrichtsfach zu dem Thema etablieren.“

Am 21. Dezember wurden Al-Bewani und sein Team mit dem diesjährigen Förderpreis „Welt-Sicht“ ausgezeichnet. Das ökumenische Zentrum Stuttgart vergibt den Preis gemeinsam mit dem Freundes- und Förderverein jährlich für ökumenisches, völkerverbindendes oder religionsübergreifendes Engagement im Umfeld der Stuttgarter Universitäten und Hochschulen. Die Auszeichnung brachte der Gruppe ein Preisgeld von 500 Euro ein, das Al-Bewani in die Zukunft des Projekts investieren will. „Ich weiß, dass die Veränderung nicht innerhalb eines Jahres vollzogen werden kann“, sagt Al-Bewani. Trotzdem glaubt er an den Erfolg des Projekts: „Aber wenn die Leute sehen, dass es auch einen anderen Weg gibt, dann werden sie ihn gehen.“

Al-Bewani will auch nach seinem Studium in Stuttgart bleiben und nicht in seine Heimat zurückkehren. Er könne hier mehr für seine Heimat und für sein eigenes Leben tun. Er hat auch schon eine Idee, was er als Nächstes machen will: Die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung mit Boxen für Essensreste.