Manfred Rode hilft Ruth Schehrer in den Besucherbus. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um sein eigenes Auto Foto: Rüdiger Ott

Seit 15 Jahren fahren Ehrenamtler Besucher vom Möhringer Bahnhof ins Seniorenheim Bethanien und zurück- mit dem Privatwagen. Ein Erfolgskonzept, das viele Rentner regelmäßig nutzen.

Möhringen - Sie ist halt nicht mehr so gut zu Fuß. Ruth Schehrer stützt sich etwas wackelig auf ihrem Regenschirm ab, nur um die Balance zu halten. Mit der anderen Hand greift sie die geöffnete Autotür. Sie besucht ihren Mann, sagt sie, „viermal in der Woche“, und lacht dabei über beide Backen. Ihr Mann lebt seit vier Jahren im Pflegezentrum Bethanien, und sie gerade mal anderthalb Kilometer Luftlinie entfernt in Möhringen. „Laufen kann ich die Strecke nicht mehr, ich bin 87, das ist mir zu weit“, sagt sie. Da trifft es sich gut, dass eine Gruppe Ehrenamtler für Besucher wie sie einen Pendelservice eingerichtet hat. Mit der Bahn fährt sie also zwei Haltestellen bis zum Möhringen Bahnhof und von dort mit dem Auto in das Seniorenheim, und ein kleiner Schwatz ist eigentlich auch immer drin.

Ein überschaubarer Dienst und glückliche Fahrgäste

„Das ist ein Dienst, der sehr dankbar angenommen wird“, sagt Peter Henke. Er ist der Mann mit dem Plan. Dem Fahrplan. Der bestimmt weniger die Zeiten, sondern die Fahrer. 20 Helfer zählt das Projekt Besucherbus Bethanien, drei Damen und 17 Herren. Die sind allesamt im Rentenalter und stammen meist aus der kirchlichen Ecke. Man fragt sich halt so durch, wer denn Lust hat, mitzumachen. „Das ist ein überschaubares Engagement, man kommt so ein, zweimal im Monat dran“, sagt Peter Henke. „Vergangene Woche hatte ich Dienst und mein nächster ist am 11. Juli.“

Zwei Stunden pendeln zwischen Bahnhof und Seniorenheim

Heute ist ein anderer dran. Es ist die Schicht von Manfred Rode. Der hielt bis vor Kurzem zusammen mit seiner Frau noch das evangelische CVJM-Heim an der Leinenweberstraße in Schuss; jetzt sind sie Rentner. Und er Fahrer. Mit seinem roten Privatwagen ist er um 14 Uhr an der Probststraße gegenüber des Möhringer Bahnhofs vorgefahren, und wenig später kommt auch schon Ruth Schehrer von den Bahngleisen herübergelaufen. „Der Mensch braucht ja immer was zu werkeln“, sagt er. „Und das macht Laune und ist kurzweilig.“ Zweieinhalb Stunden lang wird er zwischen dem Bahnhof und dem Seniorenheim pendeln, im Viertelstundentakt. Zumindest grob. Denn wenn mal gerade niemand aus der Bahn ausgestiegen ist, wartet er eben auf die nächste.

Ein Konzept, das sich seit 15 Jahren bewährt

Besucherbus, Privatwagen, das geht tatsächlich zusammen. 15 Jahre gibt es den kostenlosen Service schon, damals ins Leben gerufen von der ILM, der Initiative Lebenswertes Möhringen. Für die SSB war die Route nicht rentabel. Und weil man anfangs halt mit einem eigenen Bus pendeln wollte, blieb der Name haften. Tatsächlich geht das aus rechtlichen Gründen nicht. Aber in einen Privatwagen kann jeder einsteigen, der will. Formulare muss niemand ausfüllen, die Bürokratie kann man sich sparen.

Manfred Rode ist ein alter Möhringer. Aber man vergisst eben so viel, hatte er vorhin noch gesagt. Die Erinnerungen kommen aber wieder. Und Ruth Schehrer ist ihm eine große Hilfe dabei. Die paar Minuten im Auto nutzt sie zum Schwatz, erzählt über diese Familie und jene, die gerade irgendwo ein Haus baut. Und und und. Manfred Rode hört zu und nickt. Ah ja, ich erinnere mich, will das wohl heißen.

Der Besucherbus – mit Privatwagen – ist eine Erfolgsgeschichte. Dienstags, mittwochs, donnerstags und samstags rollt er die Balinger Straße hoch und runter. Peter Henke hat ausgerechnet, wie viele Menschen so schon ins Bethanien und wieder zurück zum Bahnhof gebracht wurden. Pro Jahr sind es etwa 2000. In 15 Jahren kommt er so auf die stolze Zahl von 30 000. Das kann sich sehen lassen. „Die Besucher kommen meist nur ins Bethanien, wenn wir den Fahrdienst machen“, sagt er.

Waltraud Stärk nimmt hinten Platz. Sie ist mit der U8 aus Heumaden gekommen, ihr Mann lebt im Bethanien. „Eine Strecke will ich mitfahren“, sagt sie. „Aber zurück versuche ich zu laufen.“ So machen das viele Fahrgäste, je nach Wetter und Gefühl. Sie erzählt von diesem und jenem, während Manfred Rode in die Tiefgarage einbiegt. Im Untergeschoss ist Endstation, direkt an der Tür zum Treppenhaus. Waltraud Stärk will nicht warten, schon ist sie verschwunden, während er noch Ruth Schehrers Handtasche aus dem Kofferraum kramt. Ein kurzes Winken über die Schulter, dann huscht auch sie ins Treppenhaus.