Die Kochgruppe fünf des Projektes Salz und Suppe stammt aus Degerloch und Stuttgart-Süd. Foto: Nina Ayerle

Gemeinschaftgefühl geht durch den Magen. Beim städtischen Projekt „Salz und Suppe“ sollen sich Menschen, die sich ansonsten wohl nie begegnet wären, zusammen kochen und über die Stadt diskutieren. Das klappt prima. Ein Besuch.

S-Süd/Degerloch - Eine einfache Suppe, die jeder mag, die jeder kochen und jeder bezahlen kann, war die Vorgabe beim Projekt „Salz und Suppe“. Kann ja lecker sein. Glück hatten die Teilnehmer, die in der Kochgruppe fünf gelandet sind: Kohlrabi-Risotto, Tomaten-Mozzarella-Walnuss-Rucola-Salat, frische Beeren aus dem Garten, lauwarmes, gegrilltes Gemüse und Antipasti aus der Markthalle – ach, man würde sich dort gerne jede Woche zum Essen einladen. „Mit Alkohol sind wir auch bestens versorgt“, sagte Indira, die in der achtköpfigen Gruppe für die Unterhaltung zuständig ist, aber ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Der Teilnehmer Gerhard Schiek hat nämlich ein eigenes Weingut und versorgt seine Gruppe.

Beim Kochen über das Zusammenleben diskutieren

„Salz und Suppe“ – der Name des städtischen Projekts klingt hingegen etwas karg. Das Stadtplanungsamt hatte das Projekt initiiert, um neue Formen der Bürgerbeteiligung zu testen. 54 Menschen aus dem Stadtgebiet wurden ausgewählt und in neun Gruppen eingeteilt, passend zu ihrem Wohnort. Denn die Kochgruppen sollten nicht nur essen und trinken, sondern über ihre Quartiere sprechen. Vor allem sollten sie diskutieren: über Verkehr, Wohnraum, Integration, Zusammenleben von Jung und Alt, Mobilität oder über gute Nachbarschaft. Am Ende sollte jede Gruppe ein Konzept ausarbeiten.

Straff organisiert waren die Zusammenkünfte: Stadtrundgang, dann kochen und essen, Plakate malen, Präsentation planen, abschließendes Gruppebild und so weiter. Von diesen Zwängen hat sich die Kochgruppe fünf gleich befreit. Dort traf man sich in Heslach bei der 26-jährigen Olivia Schwedhelm, in den Weinbergen bei dem 66-jährigen Gerhard, in Degerloch bei dem 44-jährigen Markus Wagner oder in Hoffeld bei der Ältesten in der Runde, der 75-jährigen Ingrid Fischer.

Gemeinsam lachen bis kurz vor Mitternacht

Die sechs Teilnehmer haben gegessen, getrunken und vor allem viel gelacht. „Und plötzlich war es immer kurz vor Mitternacht“, sagte Sara Thofern. Die 40-jährige Mutter von vier Söhnen kam erst später zur Gruppe dazu. „Aber ich wurde sofort herzlich aufgenommen.“

So ging es auch zu in der Kochgruppe fünf: herzlich und freundlich. Jeder fühlte sich bei jedem in der Wohnung wie zu Hause. Moderatorin Andrea Laux ist fest in die Gruppe integriert, ebenso wie Carola Hägele, die als Leiterin des Generationenhauses Heslach zunächst zur Auftaktveranstaltung eingeladen hat. Viermal haben sich die bunt zusammengewürfelten, vom Stadtplanungsamt eingeteilten Gruppen danach getroffen – jeden Mittwoch im Juni. Reicht nicht, dachte sich Kochgruppe fünf. Erstens gab es so viel zu besprechen, zweitens wollte jeder mal kochen, und drittens hatten sie sich so gut verstanden, dass sie sich nicht trennen wollten.

Teilen ist das Zauberwort

Passend dazu sind die Themen, welche die Gruppe am Abschlussabend von „Salz und Suppe“ bei der Kulturinsel in Bad Cannstatt nächste Woche präsentieren möchte: Teilhabe am öffentlichen Leben, bessere Nachbarschaften und eine gelungenere Integration für Neubürger in Stuttgart. „Teilen in jeder Hinsicht ist unser Stichwort“, fasste Moderatorin Andrea Laux am Ende zusammen. „Ich habe zum Beispiel sehr viele Dinge, die ich eigentlich gar nicht brauche“, ergänzte Ingrid Fischer. Aber auch Orte sollen geteilt werden beziehungsweise geöffnet. „Ein Stadt braucht unverbrauchte Orte“, sagte Laux. „Orte, die noch nicht strukturiert sind, die Menschen selbst für sich einnehmen können“, fügte Stadtplanerin Olivia Schwedhelm hinzu. Einig war sich das achtköpfige Team darüber, dass Stuttgart eine Stadt ist mit einem sehr guten Lebensniveau. Mehr Freundlichkeit gegenüber Fremden wünschten sich dennoch alle in ihrem Quartier. „Im Prinzip mehr Lächeln auf der Straße“, sagte Laux abschließend, bevor sie kurzerhand noch ein paar Plakate malte.

Und flugs waren dann wieder vier Stunden rum. „Ich habe immer das Gefühl, wir reden drei Stunden über Gott und die Welt und schaffen nichts, aber am Ende haben wir doch was hingekriegt“, so die Bilanz von Indira in Richtung der Moderatorin Laux.

Es gehört viel Vertrauen dazu

Fast könnte man also sagen, das Pilotprojekt „Salz und Suppe“ ist ein voller Erfolg. Das per Zufall zusammengewürfelte Team hat sich sogar ein bisschen angefreundet, niemand hatte Scheu, in der Gruppe offen zu sprechen, und niemand hatte ein Problem damit, Fremde in seiner eigenen Wohnung willkommen zu heißen. Dazu gehört viel Vertrauen. Das hat gut geklappt, finden alle übereinstimmend.

Doch Ziel des Projektes war es, möglichst heterogene Gruppen zu bilden. Um es salopp zu sagen: Es sollte der Hartz-IV-Empfänger mit dem Villenbesitzer vom Killesberg kochen und über die eigene Stadt diskutieren. „Das ist nicht gelungen“, so das Fazit von Olivia Schwedhelm. „Die, die man dabei haben wollte, waren nicht dabei.“ Auch Indira bemängelte, dass letztlich alle Teilnehmer aus „einer Welt kommen“. Im Prinzip sei es die akademische, weiße Mittelschicht. Aber das musste sie dann doch anmerken: „Wir als Gruppe hätten uns so trotzdem nie kennengelernt.“ Die junge Stadtplanerin Olivia hätte sich vielleicht mit der 75-jährigen Rentnerin Ingrid auf der Straße eher nicht unterhalten, nichts gemeinsam gehabt. Und jetzt teilen sie etwas.