Die Improvisation liegt nicht am Boden. Es ist in diesem Fall die Musik – ausnahmsweise. Aber das gehört im Produktionszentrum durchaus zum guten Ton. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Kunstschaffende der freien Szene aus den Bereichen Tanz, Performance, Musik, Video und Bildender Kunst treffen in Stuttgart-Feuerbach zu „Frei-Tagen“, um sich mit der Kunstform Improvisation auseinander zu setzen.

Feuerbach - Glockenhell schweben die Noten durch den Saal der Alten Kelter in Feuerbach, führen in den Räumen des Produktionszentrums Tanz und Performance (PZ) ihr gefühlvolles Eigenleben. Babette Dieterich, angelehnt an ein Fensterbrett, den Blick aufmerksam in den Raum gewandt, improvisiert mit ihrer klaren Stimme, lässt ihren Inspirationen freien Lauf. Die Tänzerinnen und Choreografinnen Petra Stransky und Lisa Thomas nehmen den akustischen Faden der Mezzosopranistin auf, bewegen sich mit ihren Körpern zu den Tonnuancen, erspüren die Schwingungen, laufen durch den Raum, imitieren Babettes Scatten. Antje Jetzy wartet noch und beobachtet, bevor auch sie das Parkett betritt, das am Abend als Bühne fungieren wird. Dann steigt sie in den Ring, geht in die Knie, dreht sich, lehnt sich an die anderen an. Wie später auch der Tänzer Nestor Gahe, während der Musiker Ulrich Wedlich seiner Gitarre Rhythmen, Echos und sphärische Elektrogeräusche entlockt. Die Tanz- und Musikschaffenden haben sich zu einem der „Frei-Tage“ getroffen. Die Veranstaltungsreihe am PZ, die Stransky und Thomas initiiert haben, ermöglicht Kunstschaffenden der freien Szene aus den Bereichen Tanz, Performance, Musik, Video und Bildender Kunst in Sachen Improvisation zu recherchieren. Denn beiden geht es dabei auch um die spartenübergreifende Zusammenarbeit. So laden die Tänzerinnen an mehreren Freitagen im Jahr Gäste ein, um sich den Nachmittag über mit der Kunstform Improvisation auseinanderzusetzen. Am Abend dann, jeweils ab 19.30 Uhr, werden die Ergebnis öffentlich dem Publikum vorgeführt. Danach tauschen sich Zuschauer und Künstler an der Bar aus. „Mit den Frei-Tagen führen wir unsere Arbeit des ImproVisions Festivals 2016 fort“, sagt Stransky. „Die Kontinuität ist wichtig, um die Vielfalt dieser Kunstform, die vergleichsweise selten öffentlich stattfindet und entsprechend unbekannt ist, zu präsentieren – und damit auch die freie Szene.“

Zuschauer ist Teil des Abends

Lisa Thomas ergänzt, dass es bei ihrer Form der Improvisation eben nicht darum gehe, die Sicherheit zu haben, bereits geprobtes, vorhandenes Material neu zu nutzen. „Es geht um eine Form der Improvisation, bei dem sich erst das Thema im Prozess entwickelt. Das erfordert eine andere künstlerische Haltung.“ Das wiederum brauche eine Auseinandersetzung zwischen Publikum und Kunstschaffenden. „Der Zuschauer ist Teil des Abends und Inspiration. Kommen, konsumieren, gehen – geht nicht“, betont Stransky. „Beide Seiten müssen sich unvoreingenommen einlassen können, die Energien im Raum aufnehmen.“

An diesem Nachmittag haben sich die sechs Performer darauf geeinigt, dass sie Kommunikation und Dialog in der Improvisation bearbeiten, aber vor allem auch den anderen Raum geben wollen, austesten, wie man im Prozess ein- und aussteigt. Immer wieder besprechen sie sich in Pausen, was sie gut oder schlecht bisher fanden.

Improvisieren bedeute eben auch, sich selbst zurücknehmen zu können, sagt Thomas. Alle sind sich einig, dass diese Art des Experimentierens viele Chancen bietet, sich weiterzuentwickeln, was letztlich positive Folgen für die Gesellschaft haben könne, weil man immer wieder neue Perspektiven entdecke und teste. „Umgehen lernen mit maximaler Freiheit, gleichzeitig mit der Verantwortung und Umsicht, die dies erfordert“, beschreibt Stransky. „Improvisieren bedeutet nicht auszugrenzen, sondern mit offenem, neugierigem Geist wachsam einzuschließen.“

Weitere Infos: www.impro-visions.de