In der Johanneskirche soll eine besondere Veranstaltung stattfinden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Um eine neue, 33 000 Euro teure Mikrofonanlage zu finanzieren, überlässt die evangelische Johannesgemeinde ihre Kirche einem kommerziellen Veranstalter für zwei Events. Das löst unterschiedliche Reaktionen aus.

Stuttgart - Am Mittwoch und Donnerstag, 22. und 23. November, findet in der Stuttgarter Johanneskirche unter dem Motto „Wo sich Sinne und Menschen begegnen“ ein gastronomisches Event statt. So bewirbt der Veranstalter, die Firma Tailormade, ein Abendessen mit gehobener Qualität in sakraler Atmosphäre. Johanneskirchen-Pfarrer Heinrich Schmid nennt es sogar ein „Luxus-Dinner“. Die Redakteure Christine Bilger und Martin Haar bewerten die Aktion unterschiedlich.

Pro: Ein Öffnung der Kirche ist bitter nötig (Martin Haar)

Es gibt sie überall: die Bedenkenträger dieser Welt. Sie wollen lieber bewahren, statt Neues anzugehen. Tradition geht ihnen über alles. Dabei werden oft Lebenswirklichkeiten ausgeblendet oder gar negiert. Eine bittere Wirklichkeit ist: Immer weniger Menschen finden den Zugang zu einer Kirche. Das hat bekanntlich mehrere Gründe. Aber einer ist: Menschen des 21. Jahrhunderts haben das Vorurteil, Kirche sei altbacken. Bestätigung fänden sie, wenn die Kirchenleitung den Versuch der Johannesgemeinde, Neues zu wagen, jäh abwürgen würde. Vielleicht ist die Sache schlecht vorbereitet und noch schlechter kommuniziert. Statt wie die katholischen Gläubigen die Offensive und Bürgerbeteiligung bei der Öffnung des Kirchenraums St. Maria in der City für eine breitere Nutzung zu suchen, wollten sich die Protestanten mal wieder klammheimlich durchmogeln. Dabei ist bei der bitter nötigen Öffnung von Kirche(n) größtmögliche Offenheit gefragt. Sonst schließen immer mehr Menschen mit dem Thema Kirche ab.

Kontra: Das bringt nicht mehr Gottesdienstbesucher (Christine Bilger)

Neue Wege gehen und Menschen der Kirche näherbringen ist ein berechtigtes und gutes Anliegen. Nur: Darum geht es im vorliegenden Fall ja gar nicht. Wer ein Gotteshaus vermietet, um Geld zu erwirtschaften, offenbart ja schon gleich im ersten Schritt, dass es nicht um die eigentliche zentrale Aufgabe der Kirchengemeinde geht, nämlich für die Menschen da zu sein.

Dann ist da noch die Art der Veranstaltung, die bitter aufstößt. Luxus und Schlemmerei an einem Ort, der dem Glauben und der Gemeinschaft gewidmet ist, das fühlt sich falsch an. In diesem Raum kann sehr wohl die Kirchengemeinde feiern, es ist ihr Zuhause. Aber Prunk und Protz im Kirchenschiff zum teuren Preis, das passt nicht. Kirchen sind wie kaum ein anderes Gebäude, das der Mensch erbaut hat, einem Zweck gewidmet – dem Gottesdienst und dem Gemeindeleben. Dies sollte man als Grundgedanken bei der Vergabe berücksichtigen. Ob das eine Maßnahme ist, Menschen für den Glauben und die Kultur zu begeistern? Wer’s glaubt, wird selig.