Intensiv: Reinhold Ohngemach als Mendel Singer und Sofie Alice Miller als Mirjam Foto: P. Pfeiffer/WLB

Die Württembergische Landesbühne in Esslingen holt einen modernen Klassiker deutscher Literatur auf die Bühne: „Hiob“ von Joseph Roth. Der Regisseur Christof Küster inszeniert die Geschichte karg, aber dicht. Und er zeigt den Schmerz von Eltern, die ihre Kinder an eine neue Kultur verlieren.

Esslingen - Es gibt gute Gründe für die Auffassung, dass Joseph Roth zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts zählt. „Hiob“ ist unter seinen Werken wohl nicht das beste, aber das sentimentalste. Wenn es zur Schullektüre wurde, so hat das ohne Zweifel mit der jüngeren deutschen Vergangenheit zu tun, die Roth nicht vorhersehen konnte, als er den „Roman eines einfachen Mannes“ 1930 schrieb. Auch das Fernsehen hat sich des Sujets bemächtigt, und vor ein paar Jahren hat der Roman in einer Fassung des Flamen Koen Tachelet die Bühne erreicht. Jetzt ist er in Esslingen angekommen und stellt die Grundlage für einen ebenso gelungenen wie ergreifenden Theaterabend an der Württembergischen Landesbühne bereit.

Christof Küster hat sich für eine Regie entschieden, die die Rührseligkeit der Vorlage eher zurücknimmt als verstärkt. Kurze, stilisierte Szenen, die in einen Blackout münden, folgen dem Ablauf der Handlung. Eine rote Baseballkappe reicht aus, um den russischen Juden Schemarjah (Christian A. Koch) zu dem Amerikaner Sam zu machen. Was sich nicht in oft ohne Augenkontakt vorgetragene Dialoge umsetzen lässt – Briefe etwa oder Mendel Singers Gedanken –, wird in ein Mikrofon gesprochen. Joseph Roth überlässt es dem Leser, ob er, mit seinem Hiob Mendel Singer (an der WLB: Reinhold Ohngemach), in der Heilung des schwer behinderten Menuchim (Marcus Michalski) ein Wunder oder einen rational erklärbaren Vorgang erkennen will. Bei Küster gibt es kaum einen Zweifel: das „Wunder“ verdankt sich ärztlichem Beistand.

„Hiob“ bietet die Perspektive der verzweifelten Eltern, nicht der rebellierenden Kinder

Wir „modernen“ Menschen neigen dazu, der jungen Generation von Immigranten beizupflichten, die gegen die in unserer Kultur überwundenen Werte ihrer Eltern rebelliert. „Hiob“ vermittelt uns die Perspektive der Eltern, für die mit der Emanzipation der Kinder eine vertraute Welt zusammenbricht. Gesine Hannemann gibt Mendels Frau Deborah, Sofie Alice Miller die im – etwas zu exzessiv ausgespielten – Wahnsinn endende Tochter Mirjam. In weiteren Rollen überzeugen Ulf Deutscher und Eberhard Boeck.

Ganz kann die Bühnenadaption den Roman freilich nicht ersetzen. Der faszinierende Singsang von Joseph Roths Sprache geht bei der Verkürzung zu Dialogen weitgehend verloren. Ein wenig wirkt das wie ein „Rosenkavalier“ ohne die Musik von Richard Strauss.

Marion Eisele hat ein bestechendes Bühnenbild gebaut: zwei schräg nach hinten auf einander zulaufende graue Wände mit sich zaghaft öffnenden und schließenden Ausschnitten, von denen sich die schwarzen Kostüme der Darsteller abheben, davor, außer zwei Hockern, nur ein mickriger Baum wie aus „Warten auf Godot“. In ihrer Schlichtheit erinnert die Kulisse an Zeichnungen von Franz Kafka, an den auch der Regieeinfall der von außen in den Raum ragenden Arme denken lässt.

Die nächsten Aufführungen an der WLB Esslingen am 7., 10., 17.12.