Verbraucher wünschen sich Eier aus fairer Haltung, wollen aber oft wenig zahlen. Foto: dpa

Die Schuld an schlechten Lebensbedingungen für Legehennen wird oft den Bauern gegeben. Doch ein Blick in die verschwiegene Branche der Hühnerbetriebe zeigt: Bei den Preisen, die der Verbraucher im Handel zu zahlen bereit ist, bleibt kein Spielraum für Hühner-Wellness.

Stuttgart - Einmal muss Hühnerbauer Daniel Ehmann (51) so laut lachen, dass die Hühner im Auslauf zusammenzucken. Es geht um die Frage, ob sein Job ein Traumberuf sei. Ehmann legt den Kopf nach hinten und schaut in den blauen Himmel über Neuhausen, wo er einen Hof mit 26 000 Legehennen betreibt.

Anfang der 90er Jahre hat er den Betrieb von seinem Vater übernommen. Er nennt seinen Job keinen Traumberuf, weil er sich immer dafür rechtfertigen muss. „Es gibt eine große Kluft zwischen der Vorstellung der Menschen von der Eierproduktion und der Wirklichkeit“, sagt er. „Die Menschen stellen sich vor, dass auf einem Hühnerhof jeden Morgen eine Oma mit dem Körbchen über die Wiese läuft und die Eier von fünf Hühnern einsammelt.“

In Wirklichkeit aber stehen die Hühnerbauern unter Kostendruck. Die Discounter tragen ihren Preiskampf auf dem Rücken der Hühnerbauern aus. Sie haben Anfang des Jahres den Preis für zehn Eier aus Bodenhaltung auf 99 Cent gesenkt. Für den Erzeuger bedeutet dies: Er erhält dieses Jahr bis zu 14 Prozent weniger für ein Ei als 2013.

„Meiner Meinung nach sind die Billigpreise der Discounter unmoralisch“, kritisiert Cornelie Jäger, Landesbeauftragte für Tierschutz in Baden-Württemberg. „Angesichts der hohen Futterpreise verdienen die Landwirte derzeit nichts durch den Verkauf der Eier an die Discounter“, sagt sie. „Im Gegenteil: Manche zahlen sogar drauf.“ Jäger kritisiert, dass der Handel mit seiner Preispolitik die Bemühungen der Bauern nach mehr artgerechter Haltung lähmt. „Viele Erzeuger würden gern mehr für das Tierwohl tun, das enge Preis-Korsett, das der Handel vorgibt, lässt ihnen allerdings keinerlei Spielraum.“

Wenn ein Händler an der Preisschraube dreht, ziehen die anderen nach

Das Problem: Die Lieferanten haben eine schlechte  Verhandlungsposition. „Hühner kann man nicht an- und ausschalten“, sagt Jäger. „Wer seinen Betrieb einmal an den Bedürfnissen eines großen Händlers ausgerichtet hat, braucht auch künftig einen Abnehmer für die riesigen Mengen.“ Doch der Landwirt kann auch nicht einfach den Discounter wechseln, denn diese unterscheiden sich bei den Preisen kaum. Dreht einer an der Preisspirale, ziehen die anderen nach. So teilt Lidl unserer Zeitung mit: „Die jüngste Preissenkung bei Eiern wurde am 11. Januar 2014 von der Firma Aldi initiiert. Der gesamte deutsche Handelsmarkt – auch alle Supermarktketten – hat diese Preissenkung nachvollzogen, so dass auch Lidl hier folgen musste.“ Lidl wolle sicherstellen, dass der preissensiblen Kundschaft kein Preisnachteil entsteht.

Aldi beruft sich auf seine „faire Preispolitik“, wonach Ersparnisse an den Kunden weitergegeben werden: „Der Einkaufspreis von Eiern richtet sich, wie bei allen Produkten, nach Angebot und Nachfrage“, teilt das Unternehmen mit. Dadurch entstünden regelmäßig Schwankungen. „Bei unseren Preisverhandlungen zum Eierpreis im vergangenen Sommer gab es offensichtlich ein Überangebot, wodurch wir einen günstigeren Einkaufspreis erzielen konnten.“

Nach Angaben von Marktinfo Eier & Geflügel (MEG) erreichen allein Aldi und Lidl beim Verkauf von frischen Eiern in Deutschland einen Marktanteil von 28,4 Prozent. Weitere 17, 6 Prozent Marktanteil geht auf das Konto der sonstigen Discounter. Die Marktmacht schüchtert die Lieferanten ein. Auch unserer Zeitung gegenüber spricht ein Lieferant nur im Schutz der Anonymität. Zu groß ist seine Angst, dass er seine mächtigen Abnehmer verlieren könnte.

Große Hühnerbetriebe wollen künftig auch Gen-Soja verfüttern

Der Lieferant beschreibt eine Abhängigkeitsbeziehung: Gehe er nicht auf den vom Discounter vorgegebenen Preis ein, müsse er sich im Klaren sein, dass er über Jahre als Lieferant ausscheide, sagt er. Also hat er akzeptiert, dass er im aktuellen Vertrag um 1,4 Cent pro Ei im Preis gedrückt worden ist. Er verkauft seine Eier nun für einen Preis zwischen acht und neun Cent.

Rechnet man die Kosten für Sortierung und Packung mit ein, bräuchte er jedoch elf Cent, um kostendeckend zu arbeiten, sagt der Landwirt. Demnach laufen bei ihm derzeit Verluste auf. „Die Verluste versucht man über andere Kunden oder zum Beispiel die Direktvermarktung auszugleichen“, sagt er. „Je nachdem wie gut man ausgleichen kann, fallen die Verluste aus – jemand, der alles über die Billigschiene verkauft, hat natürlich den größten Verlust.“

Die Discounter-Preise sprechen sich in der Branche sofort herum. „Selbst der Pizzabäcker von nebenan will dann plötzlich zu Discounterpreisen beliefert werden, wenn er hört, dass Aldi seine Preise senkt“, sagt Günter Scheper, Geschäftsführer der DEU Eiervertriebsgesellschaft. Er kritisiert, dass die Händler im Sommer Jahresverträge abschließen und keine Anpassungen zulassen, falls sich etwa die Futtermittelpreise schlechter entwickeln als erwartet. „Diesen Fall haben wir derzeit“, sagt er.

Discounter bestellen je nach Bedarf

Zudem leiden manche Lieferanten darunter, dass die Discounter keine fest definierte Zahl an Eiern pro Woche bestellen, sondern je nach Bedarf. Will der Händler mehr oder weniger als gewöhnlich, muss der Erzeuger entsprechend liefern. Falls dadurch Mehrkosten anfallen, werden sie vom Lieferanten getragen.

„Am Ende schadet sich der Verbraucher durch die Kampfpreise selbst“, sagt Jäger. „Die Lieferanten müssen derzeit an jeder Stellschraube drehen, die es gibt, um so kostengünstig wie möglich zu produzieren – das führt am Ende zu noch höheren Tierzahlen und womöglich schlechterer Betreuung der Tiere.“

Die Eierwirtschaft hat vor kurzem angekündigt, künftig sogar gentechnisch veränderte Soja zu verfüttern. Als Gründe werden in der Branche teilweise die hohen Kosten genannt, laut Bundesverband Deutsches Ei ist reine gentechnikfreie Soja kaum noch zu bekommen. Verfüttert ein Betrieb Gen-Soja muss er dies nicht kennzeichnen.

Daniel Ehmann aus Neuhausen will auch künftig auf gentechnisch verändertes Futter verzichten. Auch wenn er dafür Opfer bringt: „Lag der Aufpreis für eine Tonne gentechnikfreie Soja noch vor fünf Jahren bei rund 20 Euro, muss ich heute mit bis zu 100 Euro Aufpreis rechnen“, sagt er.

Bewusstsein der Verbraucher muss sich ändern

Ehmann macht nicht mit beim Kampf mit und um die Discounter. Er beliefert nur den sogenannten gehobenen Einzelhandel wie Rewe und Edeka, die mit Regionalität werben und dafür bei den Preisen mehr Spielraum haben. Seit er 50 ist, macht er sich Gedanken über die Zukunft seines Betriebes. Sein Sohn will den Hof womöglich eines Tages übernehmen, und Ehmann wünscht sich, dass er die Frage nach dem Traumjob eines Tages nicht für einen Witz halten wird.

Doch dafür, sagt er, muss sich noch einiges ändern: „Die Verbraucher müssen erkennen, dass Landwirtschaft nie so aussehen kann wie in den Werbeprospekten und dass faire Tierhaltung einen fairen Eierpreis erfordert.“