Wolfgang Dietrich will VfB-Präsident werden – und stößt mit seiner Kandidatur auf Widerstände. Foto: Baumann

Der Leonberger Unternehmer Wolfgang Dietrich will an diesem Sonntag zum Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt werden. Im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten sagt er: „Erfolg ist planbar.“ Außerdem geht er auf die Zweifel von Teilen der Fans an seiner Integrität ein.

Herr Dietrich, sind Sie reich?
Wenn Sie darunter verstehen, dass ich es mir leisten kann, in jeder Hinsicht unabhängig zu sein, dann ja.
Das ist die ideelle Sicht der Dinge, wie ist die materielle?
Ich habe mit meinem 60. Geburtstag angefangen, die Geschwindigkeit in meinem Leben ein wenig zu reduzieren. Weil ich zu diesem Zeitpunkt sagen konnte, dass ich bis zu meinem Lebensende den Lebensstandard halten kann, den ich mir erarbeitet hatte.
Sie wollen VfB-Präsident werden. Gab es niemand, der Sie davon abhalten wollte?
Doch, ein paar meiner engsten Freunde. Aber die kennen mich. Wenn ich mich einmal entschieden habe. . .
Sie könnten noch ein bisschen Golf spielen, reisen, das Leben genießen.
Stimmt, so war eigentlich auch der Plan. Aber ich war schon in jungen Jahren der Typ, der die permanente Lust verspürte, die Dinge zu gestalten.
Wann ist die Entscheidung gefallen?
Nach der 1:3-Niederlage vergangene Saison gegen Mainz 05 war für mich klar, dass ich dem Verein irgendwie helfen möchte. Ich war von Marketing-Vorstand Jochen Röttgermann in die Ehrenloge eingeladen worden und blickte nach Spielschluss in die fassungslosen Gesichter einiger VfB-Mitarbeiter. Aber da war ich von einer Kandidatur noch ganz weit weg.
War Ihnen klar, was auf Sie zukommt?
Zu solch einer Kandidatur entscheidet man sich ja nicht aus dem Stand. Ich habe im Juni und Juli gründlich überlegt, viele Gespräche geführt, auch mit den VfB-Aufsichtsräten und – Vorständen, ich habe mir die Organisation und Struktur bei anderen Clubs angeschaut. Ich habe die Mitgliedsnummer 836, mich verbinden mit diesem Vereine viele schöne Erinnerungen. Das gab letzten Endes den Ausschlag.
Mit Gegenwind mussten Sie rechnen.
Wissen Sie, als ich die Aufgabe erst als ehrenamtlicher, später nach der Volksabstimmung als hauptamtlicher Sprecher beim Bahnprojekt Stuttgart – Ulm übernommen habe, war mir klar, dass ich am Ende nicht auf dem weißen Ross raus reiten werde.
Teile der VfB-Fans begegnen Ihnen mit tiefem Misstrauen.
Ich wusste von Anfang an, dass die Phase zwischen der Entscheidung zur Kandidatur und der Wahl eine schwierige wird. Menschen, die in ihrem Leben schon einmal öffentlich zu etwas gestanden haben, sind fast immer auch umstritten. Wir reden da ja bisher auch ganz selten über Themen, die mit meinem Amt beim VfB oder der Amtsführung zu tun haben.
Sie sind früher als Investor bei Proficlubs aufgetreten. Das macht man nicht als Samariter.
Das stimmt, ich habe Geld damit verdient. Aber das ist eines von vielen Geschäftsmodellen, das es im Profifußball gibt. Ein Verein verkauft für einen bestimmten Zeitraum einen Teil seiner TV-Rechte und bekommt dafür ein marktgerecht verzinstes Darlehen. Die Quattrex wird inzwischen von Tobias Schlauch und von meinem Sohn Christoph geführt, ich habe noch rund 14 Prozent Anteile. Ich habe mit dem operativen Geschäft nichts mehr zu tun.
Die Quattrex steckt Geld in Clubs, die mit dem VfB konkurrieren, zum Beispiel in den FC Heidenheim.
Was sollte falsch oder verwerflich daran sein? Das ist alles blitzsauber besprochen, da gibt es keinerlei Schnittmengen mit dem VfB und meiner Arbeit als Präsident, sofern ich gewählt werde. Ich würde ja gegen Statuten des VfB und der Deutschen Fußball-Liga verstoßen. Ich würde mich der Untreue schuldig machen.
Trotzdem trauen Teile der Fans Ihnen offenbar nicht über den Weg.
Das mag sein. Aber in meinen 46 Jahren als Unternehmer werden Sie niemanden finden, der mir jemals unterstellt hat, ich mache krumme Geschichten. Und die DFL kennt jeden Vertrag, den die Quattrex jemals gemacht hat. Sie muss ihn ja genehmigen. Da gibt es eine hundertprozentige Transparenz.
Warum wollen Sie die Aufgabe als Präsident im Ehrenamt ausüben?
Weil es für mich Bedingung ist, dass ich völlig unabhängig bleibe. Ich will definitiv nicht mehr als meine Auslagen ersetzt bekommen. Das Amt des VfB-Präsidenten ist für mich ein Fulltime-Job. So viel ist klar. Sollte ich gewählt werden, habe ich klare Ziele, die zu bestimmten Zeitpunkten umgesetzt sein müssen.
Zum Beispiel.
Priorität eins hat für mich ein Verhaltenskodex für alle Mitarbeiter. Da geht es um Loyalität, Solidarität und Regeln der Kommunikation – intern wie extern. Da geht es auch um den Schutz der Mitarbeiter und den Umgang miteinander. Gleich danach kommt die Geschäftsordnung, in der glasklar geregelt wird, wer wofür zuständig ist, wer an wen berichtet. Diese beiden Punkte könnte man sehr schnell umsetzen.
Das sind Formalien, was sind die Inhalte?
Natürlich müssen wir die Frage stellen: Was machen wir strategisch und methodisch, um besser zu werden? Wo haben wir Schwachstellen? Was machen wir personell? Das geht nicht von jetzt auf nachher.
Die Schwachstellen sind kein Geheimnis. Sportfachliche Mängel, ständige Personalwechsel.
Wie gesagt: Die Defizite sind schnell aufgelistet. Es geht aber darum, sie möglichst schnell und effizient abzuarbeiten. Wissen Sie: Es ist mir zu einfach nur auf alles einzudreschen und keine Vorschläge zu machen, wie es besser werden kann. Wir müssen die Zukunft gestalten, nicht zerstören. Der VfB muss wieder eine Einheit werden, er braucht eine neue Vereins- und Umgangskultur. Nur so bekommen wir Stabilität und Kontinuität in den Verein. Und das ist die Bedingung für erfolgreiches Arbeiten. Wir brauchen eine optimistische Herangehensweise, positives Denken. Der neue Trainer und der neue Sportvorstand sind dafür ein gutes Beispiel. Spaß, Freude, Stolz und kontrolliertes Arbeiten sind Grundelemente eines Fußballvereins.
Ist Erfolg planbar?
Auf jeden Fall. Natürlich nicht bei einzelnen Spielen. Aber am Beispiel der Jugendabteilung will ich das im Falle meiner Wahl auch belegen.
Wir sind gespannt.
Die überragende Arbeit der Jugendabteilung war einmal das Markenzeichen dieses Vereins. Sie ist sozusagen die Entwicklungsabteilung des Unternehmens VfB. Deshalb müssen wir sie unabhängig machen von den Finanzströmen der Profiabteilung, damit wir wieder die besten Nachwuchsspieler, die fähigsten Trainer und Betreuer an uns binden und möglichst lang halten können.
Wie soll das funktionieren?
Zum Beispiel mit Sponsoren, die nur für den Nachwuchs stehen.
Was machen Sie, wenn Sie am Sonntag die 50 Prozent plus X nicht erreichen?
Dann bin ich stinksauer, weil ich nicht verlieren kann, bleibe wie seit 42 Jahren VfB-Mitglied und habe trotz der Niederlage etwas gewonnen.
Was?
Freizeit und neue Erfahrungen!