Marine Le Pen soll eigene Mitarbeiter auf EU-Kosten angestellt haben. Foto: AFP

Frankreichs Justiz erhöht den Druck auf Le Pen und Fillon. Die in Scheinarbeitsaffären verstrickten Spitzenkandidaten fallen im Präsidentschaftsrennen zurück.

Paris - Marine Le Pen hat an Frankreichs Justiz appelliert, in Wahlkampfzeiten Zurückhaltung zu üben. Staatsanwälte und Untersuchungsrichter zeigen sich von dem Aufruf der Präsidentschaftskandidatin des Front National (FN) indes wenig beeindruckt. Sie haben die Ermittlungen gegen die rechtspopulistische Partei und ihre Vorsitzende sogar noch ausgeweitet. Wie am Wochenende bekannt wurde, ist der Le-Pen-Vertraute Frédéric Chatillon ins Visier der Ermittler geraten.

Dubiose Anstellungsverträge

Der frühere Chef der rechtsextremen Studentenverbindung GUD und Studienfreund Le Pens, der sich bereits wegen illegaler Parteienfinanzierung während des Präsidentschaftswahlkampfs 2012 zu verantworten hat, soll offenbar auch bei den Kommunal-, EU- und Departementswahlen der Jahre 2014 und 2015 zu unlauteren Mitteln gegriffen haben. Überteuertes Wahlkampfmaterial soll er den Kandidaten des FN geliefert haben, die sich ihre Unkosten dann vom Staat haben erstatten lassen. Zugleich hat sich der Verdacht erhärtet, die Rechtspopulisten könnten sich gemeinschaftlich organisierter Scheinarbeit schuldig gemacht haben. Le Pen sowie eine Reihe weiterer FN-Europaabgeordneter sollen in der Parteizentrale tätige Mitarbeiter als aus EU-Mitteln zu bezahlende Parlamentsassistenten ausgegeben haben. Wie die Zeitung „Le Monde“ berichtet, haben sich auf einem Computer des FN-Schatzmeisters Wallerand de Saint Just Indizien gefunden, die auf systematisch betriebene Scheinarbeit hindeuten. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte die Finanzstaatsanwaltschaft gegen Cathérine Griset, Bürochefin Le Pens und zugleich angeblich als deren EU-Parlamentsassistentin tätig, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die FN-Vorsitzende selbst genießt als Abgeordnete Immunität. Vorladungen zum Verhör hat sie nicht Folge geleistet. Sie zweifle an der Unparteilichkeit der Justiz, hat Le Pen wissen lassen.

Front National verliert an Sympathie

Die sich mehrenden Affären scheinen den Front National erstmals Sympathien zu kosten. Laut einer am Wochenende von der Wirtschaftszeitung „Les Échos“ online präsentierten Umfrage des Instituts Opinion Way ist der Aufwärtstrend Le Pens gestoppt, die Zustimmung leicht rückläufig. Mit 26 Prozent der Stimmen (Vorwoche 27) darf sie rechnen.

Wie Le Pen ist auch der ebenfalls in eine Scheinarbeitsaffäre verwickelte Spitzenkandidat der konservativen Republikaner, zurückgefallen. Der Ex-Premier soll Frau und zwei Kindern über Jahre hinweg auf Parlamentskosten zu insgesamt mehr als einer Million Euro „Gehalt“ verholfen haben. Am Freitagabend hatte er erfahren müssen, dass die Finanzstaatsanwaltschaft die Ermittlungen drei Untersuchungsrichtern angetragen hat, die ihn nun nicht mehr nur der Veruntreuung von Parlamentsgeldern verdächtigen, sondern auch der Korruption. Fillon liegt laut der Umfrage von Opinion Way zwar weiterhin bei 21 Prozent, er musste aber den sozialliberalen Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (23 Prozent) an sich vorbeiziehen lassen, der nun wieder hoffen darf, in der Stichwahl gegen Le Pen anzutreten und sich dann klar durchzusetzen.

Keine Reue bei den Kandidaten

Zu Reue oder gar Rückzug sieht Fillon freilich genauso wenig Anlass wie Le Pen. Hatte er ursprünglich einmal versichert, er werde seine Kandidatur aufgeben, sollte gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden, will er in der Scheinarbeitsaffäre mittlerweile „nur noch das Urteil des Wählers akzeptieren“.

Wie die Rechtspopulistin tut Fillon die Ermittlungen als störende Einmischung in den Wahlkampf ab, die man am besten ignoriert. Die Justiz zeigt sich auch von Fillons Worten nicht beeindruckt. „Wir können unsere Arbeit doch nicht einstellen, nur weil ein Verdächtiger einen neuen Job sucht und sich um eine Stelle im Élysée-Palast bewirbt“, beschied eine Sprecherin der Richtervereinigung USM den Kandidaten im Radiosender France Info. Vor dem Gesetz seien alle Bürger gleich.