Rickie Lee Jones Foto: Gina R. Binkley

Rickie Lee Jones ist die Dämonen ihrer Vergangenheit losgeworden, ist von Los Angeles nach New Orleans gezogen und hat ein neues Album veröffentlicht. An diesem Montag tritt die Singer-Songwriterin in Stuttgart auf.

Stuttgart - Man kann den Namen Rickie Lee Jones nicht erwähnen, ohne auf ihren größten Hit zu sprechen zu kommen. „Chuck E.’s In Love“, dieser erste Song auf ihrem ersten Album, sorgte mit seinen knapp über drei Minuten dafür, dass aus der talentierten Bar-Sängerin mit der ungewöhnlichen Stimme über Nacht ein Star wurde. Das war 1979, Jones war damals Mitte zwanzig und nach Aufenthalten im ländlichen Arizona und in Washington längst in Kalifornien angekommen.

Sie war die Frau an der Seite von Tom Waits, die Künstlerin, die aus Rock, Blues, Soul und Jazz-Standards eine neue Art des Songwritings entstehen ließ. Narrativ, mit cleveren Arrangements und zu viel Anspruch für eine lupenreine Pop-Karriere, vor allem aber mit zu viel Selbstbewusstsein und Chuzpe, um sich zum trällernden Disco-Sternchen vermarkten zu lassen. Das brachte ihr den Beinamen Herzogin von Coolsville ein – und die Rolle als Wegbereiterin für spätere Sängerinnen, die sich so wenig in eine Ecke drängen lassen wollten wie sie.

Rickie Lee Jones sucht nach Antworten

Kürzlich hat sie ein neues Album veröffentlicht. „The Other Side Of Desire“ ist die logische Konsequenz aus einer veränderten Lebenssituation: ihrem Umzug nach New Orleans. Dass es sie ausgerechnet an den Ort verschlägt, an dem ihr früh von der Familie getrennter Vater gelebt hat, ist bei einer wie ihr kein Zufall. Sie sucht nach Antworten, nimmt die Stimmung eines Ortes bewusst auf – und hat am Mississippi nach langen Jahren in Saus und Braus zur Ruhe gefunden. „Ich bin nach New Orleans gezogen, um der aufgesetzten Glamourwelt Hollywoods zu entkommen“, bekennt sie. „Schluss mit all dem Showbusiness, jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich nur noch auf meine Musik konzentriere.“

Ein Satz wie dieser war von ihr lange nicht zu vernehmen. Sie hatte ein wildes Leben, sagt sie, habe nichts ausgelassen. Schon mit 14 hatte sie Reißaus von zu Hause genommen, um nach Kalifornien zu kommen, hatte sich jahrelang die Nächte um die Ohren geschlagen. Das hört man insbesondere ihrer Stimme an, die mit ihrem einmaligen, leicht brüchigen Timbre noch intimer, noch fragiler klingt. Schon 2012 verschreckte sie auf dem Cover-Album „The Devil You Know“ mit jenseitigem Gesang und nahezu dämonischer Ausstrahlung, „The Other Side Of Desire“ ist da durchaus weniger gespenstisch, gibt sich kraftvoll, frankophil.

Die Zeit der Drogen, aber auch der Coverstorys ist vorbei

Nimmt man das als Maßstab, ist unüberhörbar, dass es ihr nach zuletzt schweren Westküstenjahren besser geht. „Das liegt auch an dieser Stadt“, sagt sie. „New Orleans ist Amerikas große Ausnahme. Hier findet man noch Menschlichkeit und Wärme, sogar die Nachbarn kennt man.“ Vorbei sind die Jahre der Drogen und des Suffs, vorbei sind allerdings auch die Jahre, in denen sie auf dem Cover des „Rolling Stone“ zu sehen ist, in denen sie Grammys bekam und mit Platinauszeichnungen überhäuft wurde. Ihr ist es egal.

Allem Erfolg zum Trotz hat ihr der eigene Ruhm nicht gutgetan, hat sie an den Rand des Abgrunds gebracht. Heute ist sie 61 Jahre alt, lebt allein und gibt sich keine Mühe, ihre Falten auf aktuellen Fotos zu verstecken. Sie hat ihren Frieden gemacht und schreibt endlich wieder eigene Songs. Das reicht ihr mittlerweile. „Ich brauche keine Millionen mehr auf dem Konto“, sagt sie dazu. Das sei die andere Seite des Verlangens, sagt sie, „the other side of desire“.

Jeder Auftritt ist ein kleiner Exorzismus

„Es geht um Demut, um Bescheidenheit, vor allem aber um Liebe.“ Das hat sie begriffen, als sie von Robin Williams’ Selbstmord hörte. „Unser Leben ist nicht immer von Glück geprägt, aber dennoch viel zu wertvoll, um es wegzuwerfen.“ Das macht ihr neues Album in gewisser Weise zu einer Läuterung. Und jeden ihrer Bühnenauftritte zu einem kleinen Exorzismus. Die alten Stücke nämlich, die spielt sie natürlich immer noch.

Rickie Lee Jones: Konzert an diesem Montag um 20 Uhr im Theaterhaus (T1); Es gibt noch Tickets an der Abendkasse.