Mark Lanegan mag es düster Foto: Steve Gullick

Wer in den 1990er Jahren gewettet hätte, dass Mark Lanegan irgendwann Geschenke zum 50. Geburtstag bekommt, wäre ausgelacht worden. Mittlerweile lacht Lanegan. Mt dieser unheimlichen, betörend dunklen Stimme, die stets ein bisschen nach Weltuntergang klingt.

Einen Sinn scheint der 50-Jährige mittlerweile gefunden zu haben: die Musik. Nicht dass die längst schon da gewesen wäre, als er mit den Screaming Trees ein Teil der Grunge-Welle, später Solokünstler, Mitglied der Queens Of The Stone Age oder viel beschäftigter Gastsänger und Duettpartner war. Aber es war eben auch Lanegan, auf den man seit Mitte der 1990er Jahre wettete, wenn’s um den nächsten toten Rockstar aus Seattle ging. Das hatte weniger mit seinem Faible für morbide Worte, dunkelromantische Rockmusik oder seiner einzigartig tiefen Stimme zu tun, sondern viel mehr damit, dass Heroin und der Suff keine Wegbegleiter für ein sonderlich langes Leben sind. Und Lanegan hat eine lange Geschichte mit beiden. Dieser Kampf scheint vorerst gewonnen. Er ist seit einigen Jahren clean – erzählt man sich zumindest.

Der mieseste nette Kerl der Welt

Denn die Geschichten über ihn werden meist von anderen erzählt, selten von ihm selbst. Er sei beispielsweise „der mieseste nette Kerl der Welt“ (Josh Homme, Queens Of The Stone Age) beziehungsweise der Typ, den „man bei einer Straßenschlägerei auf der eigenen Seite wissen möchte“ (Duff McKagan, Ex-Guns’n’Roses). Aber auch das ist Lanegan: Als er sich einst in McKagans Garten umsah und am Ende des Grundstücks einen See entdeckte, empfahl er dem gerade frischgebackenen Vater: „Da muss unbedingt ein Zaun hin. Nicht, dass deine Kleine da irgendwann reinläuft und ertrinkt“. Die Legende sagt, Lanegan hätte den Zaun selbst aufgestellt, weil es ihm keine Ruhe ließ.

Fans nennen ihn „American Gothic“ oder unterstellen ihm eine ähnliche Tragweite wie Johnny Cash, Jim Morrison, Tom Waits oder Nick Cave. Lanegan selbst zuckt da mit den Schultern. Er macht sich mittlerweile nicht mehr die Mühe, etwas davon zu entkräften oder gar zu bestätigen. „Ich ziehe es vor, mich als Sänger zu sehen. Künstler ist auch in Ordnung. Das reicht doch, oder? Der Rest hat keine Gültigkeit in meiner Lebensrealität“, brummt Lanegan, „dementsprechend versuche ich auch, mich nicht allzu lange damit aufzuhalten.“ Er singt lieber, schreibt Songs oder geht auf Tournee. Mal mit Isobell Campbell, mal mit seinem Freund Greg Dulli als The Gutter Twins, zusammen mit Moby, UNKLE oder den Soulsavers.

Aura des Unheils und der Dunkelheit

Oder er spielt wie auf der Platte „Imitations“ seine Lieblingslieder anderer Künstler wie John Cale, Chelsea Wolfe oder Vern Gosdin. Wie ein Lieblingslied aussieht, weiß er ganz genau: „Entweder holt mich ein Lied förmlich aus mir selbst heraus, oder es trägt mich an einen Platz, an dem ich plötzlich meinen eigenen Film sehe. Lieder, mit denen ich mich identifizieren kann, haben manchmal auch den Effekt, dass ich mich plötzlich in einer Art und Weise sehe, in der ich mich sehen möchte.“ Mit nunmehr 50 turbulenten Jahren auf dem Buckel scheint der US-Sänger tatsächlich dort angekommen, wo ihm außer Musik vieles wahnsinnig egal scheint – besonders eben was man über ihn denken oder gar von ihm erwarten könnte. Die Aura des Unheils und der Dunkelheit wird er trotzdem nicht los. Sein Freund Josh Homme, Sänger von Queens Of The Stone Age, stellte einst die steile These auf: Einer wie Marilyn Manson könne nie zum Strand gehen, weil er zu sehr mit seinem Image verwoben sei und die Leute deshalb mit dem Finger auf ihn zeigen würden.

Lanegan lacht laut: „Ach, ich bin mir sicher, dass Manson durchaus zum Strand gehen kann. Er sollte vielleicht das Make-up weglassen.“ Dann überlegt er für einen kurzen Moment: „Also, ich könnte zum Strand gehen. Mir doch egal, ob das ein Bild von mir zerstören könnte. Ich hab’ es schließlich nicht gezeichnet. Meine Frau oder meine Hunde kennen mich als durchaus normalen und umgänglichen Typen – die finden mich weder dunkel noch mysteriös.“

Am Abend wird Lanegan wieder auf der Bühne stehen, eine Hand am Mikrofon, die andere an Mikroständer, und nichts anderes tun als singen. Zeilen über Schuld, Tod, Schmutz und Vergebung. Mit geschlossenen Augen und offenem Herzen. „Natürlich hoffe ich, dass es zeitlose Musik ist. Das ist schließlich besser als die Alternative dazu, oder?“ Dann lacht er wieder. Tief, laut und dreckig.

Die Mark Lanegan Band tritt am Dienstag, 18. August, in Stuttgart im Universum auf. Beginn ist um 20 Uhr. Tickets unter: 07 11 / 22 11 05 und www.musiccircus.de