Andreas Schwarz vor einem getunten Porsche Foto: Peter-Michael Petsch

Seit zwei Jahren tunt Andreas Schwarz unter der Kultmarke Gemballa Luxus-Boliden – und lockt jetzt auch Einsteiger.

Leonberg - Der Porsche Panamera Turbo ist nur noch ein Skelett: Türen und Sitze sind ausgebaut, der wuchtige Motorblock ist aufgebahrt wie ein Sarg. Dabei war er neu, mehr als 140 000 Euro der Anschaffungspreis. Kaum zu glauben, dass ein Kunde das seinem Edel-Wagen zufügt. Doch diejenigen, die die Werkstatt der Gemballa GmbH in Leonberg aufsuchen, lassen ihre Lieblingsfahrzeuge zerlegen, um sie noch schneller und schnittiger wiederauferstehen zu lassen. Ob handgenähte Sitze oder eine Karosserie aus leichtem Carbon: Möglichst individuell soll der Wagen sein, sich abheben von der automobilen Masse. Am Ende steht ein Wagen, der nur noch entfernt an das Porsche-Modell erinnert und nun den Namen des Autotuners trägt: Gemballa Mistrale.

Die Marke Gemballa ist unter Porsche-Fans weltweit Kult, weil sie für ein extremes Tuning steht – „veredeln“ nennen es die Mitarbeiter selbst. Wer einen besonders ausgefallenen Wunsch hegt und das nötige Kleingeld besitzt, geht zu Gemballa. Gründer Uwe Gemballa machte die Marke populär und baute sich einen illustren Kundenstamm auf, häufte aber Schulden in Millionenhöhe an. Als er im Februar 2010 in Südafrika verschwindet und später tot aufgefunden wird, stellt seine Frau als Notgeschäftsführerin den Insolvenzantrag. Andreas Schwarz, der mit seiner Firma unter anderem Bugatti und Range Rover veredelt, kauft nach der Insolvenz die Namens- und Markenrechte sowie die Werkstatteinrichtung. Im August 2010 gründet er die Gemballa GmbH.

Der Markenname sei ein Pfund, mit dem er wuchere, sagt Schwarz. Mit seiner Firma wolle er mehr Kunden gewinnen – zum Beispiel Porsche-Fahrer, die sich keinen Totalumbau ihres Wagens leisten können. „Uwe Gemballas Unternehmen war extrem auf seine Person und auf Spezialumbauten ausgerichtet. Wir wollen dem Kunden zeigen, dass er auch Einzelpakete kaufen kann.“

Was das heißt, zeigt der Ingenieur in der Werkstatt, mit ihren Werkzeugbänken wirkt sie eher wie ein kleiner Handwerksbetrieb als eine Luxusschmiede. Bei ihm könne man auch nur einen neuen Radsatz für 9500 Euro kaufen oder eine Frontspoilerlippe aus Carbon für 2000 Euro, sagt Schwarz. „Anbaukits“ nennt er das. Wenn man so will, hat der Geschäftsmann damit den Porsche-Normalfahrer im Visier. Denn es gibt nicht viele, die sich ein Fahrzeug für Hunderttausende Euro tunen lassen. Vielleicht zehn Prozent der Porsche-Kunden seien überhaupt bereit, das Fahrzeug ändern zu lassen. Außerdem ist der Markt für Porsche-Tuner hart umkämpft, mit der Firma Techart hat Schwarz Konkurrenz im eigenen Ort. Dennoch gibt er sich selbstbewusst: „Ich sehe keine Firma, die weltweit so bekannt ist wie wir oder die in puncto Exklusivität mit uns konkurrieren könnte.“

Auffallen – das ist noch immer das Wichtigste in der Branche

Denn aufzufallen sei noch immer das Wichtigste in der Branche. Im vergangenen November stellte Schwarz zum ersten Mal auf der Automobilmesse in Dubai die eigenen Tuning-Modelle Mistrale und Tornado vor – Umbauten der Turbo-Modelle von Porsches Panamera und Cayenne. „Eine der ersten Fragen war, wie viele schon gebaut worden sind und wie viele es noch werden“, sagt Schwarz. Lediglich je 30, antwortete er. Die Kundschaft zeigte sich hocherfreut.

Acht von zehn Gemballa-Fahrzeugen werden im Ausland verkauft, davon mehr als jedes Dritte in der Golfregion. Praktisch jedes der arabischen Königshäuser halte sich einen Gemballa-Wagen, „viele davon sogar mehrere“, sagt Schwarz, doch davon solle man sich nicht täuschen lassen. „Die neue Käufergeneration schaut genau aufs Geld. Die Zeiten, in denen die Kunden ihre Fahrzeuge mit dem Flugzeug zum Service einfliegen ließen, sind definitiv vorbei.“ Der persönliche Kundenkontakt sei aber weiterhin extrem wichtig. „Wenn bei einem Problem die Werkstatt vor Ort nicht weiter weiß, schicke ich einen Mechaniker. Und wenn der Kunde es verlangt, fliege ich selbst ein.“

Schwarz kommt dabei zugute, dass er mit seinem langen Haar, der Jeans, dem weißen Hemd und dem extravaganten Armband je nach Sichtweise wie ein Luxus-Fahrer oder legerer Geschäftsmann wirkt. Und dass er bei den Porsche-Kunden selbst als Autoverrückter gilt. Der Geschäftsführer gehe in den Gesprächen ins kleinste technische Detail, sagt ein Mitarbeiter. „Das schätzen sie sehr.“

Bereits vor dem Studium habe er sich seinen ersten Porsche 911 gekauft, sagt Schwarz selbst – „21 500 Mark, natürlich selbst verdient“. Er betreibe Motorsport, liebe schnelle Autos und schönes Design. „Die Leute lehnen mich deswegen ab oder bringen mir Respekt entgegen – dazwischen gibt es fast nichts.“ So war es auch, als er vor einigen Jahren nach Neidlingen zog, ein 1900-Einwohner-Dorf bei Kirchheim unter Teck. Noch immer betreibt er dort seine Firma Schwarz Automotive Engineering GmbH, mit der er „hochwertige Fahrzeuge ab 500 000 Euro“ veredele. Auf einmal standen ein Maybach, ein SLR oder ein Bugatti vor seinem Haus, jedes Auto oft mehr wert als ein Haus im Ort. Inzwischen hätten die meisten gemerkt, dass er eigentlich ganz normal sei, sagt er und lacht: „Ich bin verheiratet und habe sogar einen Hund.“

Umbau gefällig? Mit 400 000 Euro ist man dabei

Im Verkaufsraum zeigt Schwarz eine Gemballa Mirage GT. Sie ist auf eine Stückzahl von 25 limitiert, fünf sind noch zu haben. Zumindest für diejenigen, die sich einst für rund 450 000 Euro den Supersportwagen Porsche Carrera GT kauften, auf dem der Umbau basiert. Für weitere 400 000 Euro wurde in diesem Fall die PS-Zahl von 612 auf 650 PS gesteigert, das Gehäuse auf Carbon umgestellt und der Innenraum nach Wunsch eingerichtet. Drei Monate arbeiteten die Mitarbeiter daran. Seit 2007 gibt es das Umbau-Modell Mirage, damit ist es noch eine Art Erbe von Uwe Gemballa.

Seitdem Schwarz die Markenrechte von der insolventen Firma kaufte, hat er fünf Millionen investiert und die Zahl der Mitarbeiter von 14 auf 25 erhöht. Die Geschäfte laufen gut, meint er, sagt aber nicht, wie hoch der Gewinn sei. Zumindest das Umsatzziel verrät er dann doch: Zehn Millionen Euro sollen es am Ende des Jahres sein. Er sei sich sicher, dass für Porsche-Tuner vor allem der deutsche Markt noch nicht ausgeschöpft sei, sagt Schwarz – es gebe noch genügend, die sich abheben wollen von der Masse, auch im Südwesten: „Mit einem normalen Porsche Cayenne fällt man in Stuttgart doch nicht mehr auf.“

Hintergrund: Die Marke Gemballa

+ Im April 2010 meldet die Gemballa Automobiltechnik GmbH & Co. KG Insolvenz an. Das Unternehmen hatte zuletzt mehr als acht Millionen Euro Schulden. Die meisten der 40 Mitarbeiter werden arbeitslos. Der Unternehmensgründer Uwe Gemballa, der seit Anfang der 80er Jahre Porsche veredelte, war im Februar 2010 auf einer fingierten Geschäftsreise nach Südafrika gelockt und getötet worden.

+ Die Leiche wird im September entdeckt. Ein 28-Jähriger gesteht die Tat und wird zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Fall sei noch nicht abgeschlossen, heißt es bei der Kriminalpolizei Böblingen. Die südafrikanischen Behörden hätten sich diesbezüglich aber schon seit geraumer Zeit nicht mehr gemeldet.

+ Der Tuning-Experte Andreas Schwarz und der Investor Steffen Korbach kaufen nach der Insolvenz für mehr als eine Million Euro die Namens- und Markenrechte und die Werkstatteinrichtung und gründen im August 2010 die Gemballa GmbH. Sie beschäftigen 14 Mitarbeiter, darunter neun des insolventen Unternehmens. Inzwischen sind es 25. Die Gemballa GmbH steigert die Leistung vor allem von Porsche-Automobilen und baut teils auf der Rohkarosserie eigene Fahrzeuge. (dag)