Auf dem Keltenhof in Bernhausen fühlt sich Sebastian Prüßmann rundum wohl. Der Sternekoch kauft dort nicht nur seine Kräuter und Salate, er kann auf den Fildern auch prima durchatmen und neue Kraft schöpfen. Foto: Horst Rudel

Kochsendungen auf allen Kanälen! Köche sind die neuen Stars! Wir stellen die besten, originellsten, kreativsten der Region vor. Heute: Sternekoch Sebastian Prüßmann aus dem Restaurant Zirbelstube im Hotel am Schlossgarten.

Stuttgart - Was für ein Triumph! Angetreten als Außenseiter – und am Schluss alle überholt. „Jetzt geht’s nach Düsseldorf, zur Deutschen Meisterschaft der Hotelmannschaften“, sagt Sebastian Prüßmann (34) nicht ohne Stolz. Doch was hat das Team des Sternekochs und Küchendirektors im Hotel am Schlossgarten am Sonntag überhaupt gewonnen? Ein Fußballturnier!

„Mir ist wichtig, dass sich meine Mitarbeiter wohl fühlen“, sagt Prüßmann. Und so schnappt er sich ein- bis zweimal im Monat seine Leute und geht mit ihnen kicken. Spät abends. Nach getaner Arbeit. Klar, das Geld, das ihn die Platzmiete kostet, könnte er auch in einen netten Urlaub investieren. Aber Prüßmann ist nun mal Gemütsmensch. Einer, der auf Teamgeist setzt, der motivieren statt triezen will, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, der Harmonie braucht: „Es muss schon viel passieren, bis ich aus der Haut fahre.“

Mit seinen 34 ist Prüßmann noch ein junger Koch. Und ein junger Chef. Dennoch sei stets klar, wer das Sagen hat: „Ich muss keinen anschreien, um mir Respekt zu verschaffen. Die Jungs wissen auch so, dass ich mich nicht verarschen lasse.“ Disziplin sei unabdinglich. Vertrauen ebenso. Und vor allem Ehrlichkeit: „Ich bin ehrlich zu allen. Und erwarte, dass man es auch zu mir ist.“ Zudem müsse die Chemie stimmen: „Ich verbringe mit diesen Menschen schließlich mehr Zeit, als mit meiner Familie.“ Er wählt sein Team daher nicht nur nach dem Können aus. Einzelkämpfer? Superstars? Nein, die braucht er nicht – „sondern Leute, die zueinander und zu mir passen.“ Man müsse „Spaß am Herd“ haben: „Dann hat auch der Gast Spaß.“

Prüßmann bedient sich aus der klassischen französischen Küche

Nicht nur im Zwischenmenschlichen hat Prüßmann längst seinen Stil gefunden. Er weiß, was er in der Küche will: „Geschmack, vollen Geschmack!“ Ohne Show-Effekte, dafür mit Aha-Momenten. Molekular- und Schäumchen-Chichi mag er nicht. Prüßmann drückt es so aus: „Wenn den Leuten nichts mehr einfällt, dann machen sie halt ein Schäumchen und ein Kerbelblättchen drauf.“ Doch das Produkt müsse Produkt bleiben. Sprich: „Wenn ich mit Erdbeeren arbeite, muss der Gast erkennen und schmecken, dass es um Erdbeeren geht.“

Prüßmann bedient sich aus der klassischen französischen Küche, kombiniert sie mit typisch deutschen, bodenständigen Produkten sowie mediterranen und asiatischen Aromen. Heraus kommen ausgefallene, originelle, durchdachte Kreationen wie Gänseleber mit Ziegenjoghurt, Pastinake und Pumpernickel, Meeräsche mit Chorizo, Schwarzwurzel und Petersilie oder Charentaise-Melone mit Shiso, Miso und Eigelb – derzeit im Menü „Neue Liebe“ zu finden. Wer es lieber zeitlos mag, ordert die „Alte Liebe“ mit Gerichten wie Kaisergranat, Tafelspitz und Liebstöckel. Die „Gemüse Liebe“ ist die dritte im Bunde und vegetarisch.

Die Kreationen sind kleine Kunstwerke: „Klar“, sagt Prüßmann, „die Optik ist wichtig, das Auge isst mit. Ich springe aber nicht auf jeden Zug auf.“ Suchspiele auf dem Teller muss man bei Prüßmann nicht fürchten. Miniportionen sind ihm zuwider: „Wenn’s schmeckt, will ich doch mit dem Löffel mehrfach so richtig durchfahren.“ Er ist eben leidenschaftlicher Genussmensch. Die Liebe zum Kochen wurde bei dem Rheinländer früh geweckt: durch die Mutter. „Sie hat stets frisch und gut gekocht. Und die ganze Familie hat zusammen am Tisch gegessen.“

Sein Können perfektionierte Prüßmann in Sternelokalen

Ein anderer Beruf als Koch? Nein, das habe für ihn nie zur Debatte gestanden. Nach der Ausbildung in der Kantine des Bayer-Konzerns – Prüßmann stammt aus Leverkusen – sei ihm klar gewesen: „Ich will weiter, ich will was sehen von der Welt, ich will in die Topgastronomie.“ Es folgten Stationen in Portugal, auf Sylt, in der Schweiz. „Ich habe ganz unten angefangen – und heute bin ich ganz oben.“ Sein Können perfektionierte Prüßmann in Sternelokalen wie dem Victorian in Düsseldorf und dem Restaurant Dieter Müller in Bergisch Gladbach. „Dort habe ich gelernt, was das gewisse Etwas ausmacht.“

Noch heute pflegt er den Kontakt zu Lehrmeistern wie dem Münchner Starkoch Bobby Bräuer und zu den alten Kollegen, von denen inzwischen viele selbst einen Stern haben. Was ihm die Auszeichnung bedeutet? „Sie ist wichtig, eine Anerkennung, man fiebert ihr entgegen. Aber was wirklich zählt, sind die Bekanntschaften und Freundschaften, die man schließt.“ Mit den Kollegen, den Lieferanten, die er fast alle persönlich kennt, und nicht zuletzt mit den Gästen, mit denen er am Abend in der Zirbelstube gern in Dialog tritt.

Prüßmann geht selbst gern essen und spielt immer mal wieder Fußball

Und wie verbringt Prüßmann, der vor knapp zwei Jahren nach Stuttgart kam, die Freizeit? Mit seiner Frau, die ebenfalls in der Branche tätig ist, genießt er das Stadtleben, geht gern essen und natürlich immer mal wieder Fußball spielen. Er fühlt sich angekommen. Will er mal durchatmen und Kraft tanken, macht er sich auf zum Keltenhof auf den Fildern. Bewaffnet mit einer kleinen Kräuterschere, denn ab und zu darf er auf dem Hof seines Salat- und Kräuterlieferanten auch ein bisschen was selbst ernten: „Manche gehen joggen. Ich gehe Kräuter pflücken.“ Demnächst könnte es wieder soweit sein, dass er die Nerven beruhigen muss – Leverkusen spielt am 13. März gegen Stuttgart. Da schlagen zwei Herzen in einer Brust: „Ich bin Bayer-Fan, aber der VfB soll ja auch nicht absteigen.“

Zirbelstube im Althoff-Hotel am Schlossgarten, Schillerstraße 23, Stuttgart-Mitte, Telefon 07 11 / 20 26 - 0, www.hotelschlossgarten.com