Heimspiel auf der Besucherterrasse des Stuttgarter Flughafens: Koch Marco Akuzun. Foto: Leif Piechowski

Das Rezept für erfolgreiche Quoten ist einfach: Kochsendungen auf allen Kanälen! Köche sind die neuen Stars! Einer der besten, originellsten oder kreativsten Vertreter der Region ist Sternekoch Marco Akuzun vom Flughafen- Restaurant Top air.

Das Rezept für erfolgreiche Quoten ist einfach: Kochsendungen auf allen Kanälen! Köche sind die neuen Stars! Einer der besten, originellsten oder kreativsten Vertreter der Region ist Sternekoch Marco Akuzun vom Flughafen- Restaurant Top air.

Stuttgart - Lässig verschränkt Marco Akuzun die Arme vor der Brust, der Fotograf kann ruhig seine Tätowierungen ablichten. Den Namen seiner Tochter hat er sich zwischen Handgelenk und Ellenbogen in die Haut ritzen lassen, wie es auch Fußballstars gern machen. Marco Akuzun hat auf der Besucherterrasse des Stuttgarter Flughafens ein Heimspiel. Logisch! Der 32-Jährige ist der Überflieger in der Stuttgarter Gourmetszene, einer der aufregendsten jungen Köche in der Stadt. Vor einem knappen Jahr hat er das Flughafen-Restaurant Top air von Claudio Urru übernommen – und sofort den ersten Michelin-Stern erkocht.

Einzigartig: Flughafenrestaurant mit Gourmetküche

Das Top air ist eindeutig ein Betrieb, der in anderen Sphären schwebt. Seit über 20 Jahren leistet sich Chef Claus Wöllhaf neben seinen vielen anderen Lokalen in den Terminals diesen sternedekorierten Solitär. Das einzige Flughafenrestaurant in Deutschland, das Gourmetküche bietet.

Es ist ein recht exklusives Unternehmen, weil in dem Raum nur 28 Gäste Platz finden. Ein halbes Dutzend Köche kümmern sich um diese kleine Schar, drei Servicemitarbeiter schwirren um die wenigen Tische herum. Im Top air zu essen ist allerdings nicht nur wegen der kulinarischen Höhenflüge ein Erlebnis: Während man Haute Cuisine genießt, sieht man, wie die Flugzeuge in Richtung Mallorca oder Istanbul abheben.

Marco Akuzun hat dafür keinen Blick, er konzentriert sich auf ein Ei, das sein Entremetier, sein Beilagenkoch, gerade zubereitet. Auf dem Rezept steht: „Stundenlandei 60/62“. Das bedeutet, dass das Ei bei 62 Grad eine Stunde lang gegart wird. Mit Wildkräutern, verschiedenen Arten von Kartoffeln und Kaviar ergibt dieses Gericht ein wunderbares Geschmackserlebnis.

Mit dem ersten Ei, das Marcel Hild aufschlägt, ist der Chef nicht zufrieden, es sieht ein wenig ramponiert aus, er zerdeppert das Ersatz-Ei dann selbst, platziert es vorsichtig mit der Kelle auf dem Teller. In dieser Küche kommt es auf Perfektion an.

Michelin-Stern auf die Brust tätowiert

Marco Akuzun liebt diese Details – und ganz offensichtlich auch, dass er dafür ausgezeichnet wurde. Als er im vergangenen Jahr seinen ersten Michelin-Stern erhielt, ließ er sich diese himmlische Dekoration auf die Brust tätowieren. Daneben das Datum des Erfolgs: 1. 11. 2013. „Sieht ziemlich cool aus, oder?“

Dass der 32-Jährige Gefallen findet an optisch ansprechenden Dingen, steht außer Frage. Was Marco Akuzun auf die Teller zaubert, ist einfach großartig. Zum Beispiel formt er aus knusprigen Zutaten einen Fluss, darauf setzt er eine Jakobsmuschel, drum herum dekoriert er eine Blumenwiese aus kleinen Äpfeln und Blüten.

Da möchte man ihm zurufen: Mensch, konzentrier dich doch auf den Geschmack! Aber wenn der Gast das Essen zu sich nimmt, stellt er fest: Ja, hier konzentriert sich ja jemand auf das Wesentliche. Die Optik ist nie Selbstzweck, Marco Akuzun bringt nur zusammen, was harmoniert. Vor allem geschmacklich.

Dabei war dieser Weg bei ihm in keiner Weise vorgezeichnet, eigentlich ist er in den Beruf des Kochs hineingerutscht. Nach der Realschule bastelte er am Fachabitur, hatte dann aber so „gar keinen Bock mehr auf Schule“. Durch sanften Druck der Oma landete er schließlich im Gasthaus Storchen am Bodensee. Zur Überbrückung, bis er weiß, was er wirklich will – dachte er damals zumindest. Inzwischen hat er Ja gesagt zum Job, ohne deshalb die Branche zu verklären. In die Selbstständigkeit zieht es ihn zum Beispiel nicht: „Ich hab’ keinen Bock auf ein Magengeschwür!“ Er lebe nicht, um zu arbeiten, er arbeite, um zu leben, sagt Marco Akuzun.

Schon 16 verschiedene Arbeitgeber - mit 32

Sein Lebenslauf erzählt allerdings eher das Gegenteil. Der 32-Jährige bringt es mittlerweile auf 16 verschiedene Arbeitgeber, er ist herumgekommen in der Welt der Köche. Die Residenz in Meersburg war die erste Sterneküche, es folgten viele andere. Drei-Sterne-Koch Heinz Winkler am Chiemsee. Visionär Albert Boulay in Ravensburg. Bei Rolf Straubinger in der Burg Staufeneck kochte er, ebenso bei Armin Karrer im Hirschen in Fellbach. Akuzun sagt: Überall nimmt man etwas mit, mal mehr, mal weniger.

Bei Claudio Urru im Top air gefiel es ihm gut, dennoch zog es den jungen Mann wieder in die Nähe des Bodensees. Bis plötzlich die Chance da war, den Laden zu leiten. „Ich hatte schon gekündigt“, erzählt er. Weil er im Top air aber nicht nur Koch ist, sondern außerdem Geschäftsführer, blieb er. Mit Zielen, die sich auf den ersten Blick kaum mit seiner entspannten Sicht auf die Arbeit vereinbaren lassen.

Als der Stern kam, ließ er ihn sich tätowieren. Aber gejubelt hat Marco Akuzun nicht. Sämtliche Gastro-Führer bewerteten ihn wie zuvor, dabei findet er, die Küche habe sich stark verbessert. „Wir betreiben definitiv mehr Aufwand als vorher, für mich waren die Bewertungen enttäuschend.“

Sein Ziel ist deshalb klar: Der zweite Stern soll auf dem Flughafen landen. Neben der ersten Tätowierung ist noch Platz. Nur die Oma, die darf diesen Körperschmuck nicht sehen. Wenn er dort essen geht, zieht er ein langes Hemd an. „Die Oma wäre sonst sicher sauer“, sagt Marco Akuzun. Trotz des zweiten Sterns.
 

Rezept für das Stundenei

Das Ei: Das Wasser in einem Topf auf 62 Grad erhitzen (so viel Wasser, dass das Ei bedeckt ist). Das Wasser mit einem Temperaturfühler auf 62°C halten und das Ei hineingeben. Dieses 50 Minuten darin garen. Die restlichen 10 Minuten das Ei aus dem Wasser nehmen, in Aluminiumfolie einwickeln und ruhen lassen.

Warmes Kartoffelespuma: 600 g gekochte Kartoffeln (mehlig-festkochend), 300 ml Vollmilch, 100 ml Kartoffelkochwasser, 50 g Butter, Salz, Muskat, Pfeffer, Cayenne, Zitronensaft, Zitronenschalenabrieb, gehackter Thymian, gehackter Knoblauch. Zubereitung: Kartoffeln sehr weich kochen, bis diese fast zerfallen. Abschütten und Wasser separat aufbewahren. Alle Zutaten mischen und durch ein feines Sieb passieren und nachschmecken. In eine Isi-Flasche (wie für Sahne) abfüllen, 2 Patronen hinzu und warm stellen. Süßkartoffel-Gnocchi: 1 kg gekochte Süßkartoffeln (fast zerkocht), 300 g Kartoffeln (auf grobem Meersalz gegart, gepellt und zerstampft), 5 frische Eigelbe, 25 ml Nussbutter, 400 g Mehl, Salz, Cayenne, Limettenabrieb, gehackter Thymian, gehackter Knoblauch. Zubereitung: Süßkartoffeln und Kartoffeln separat kochen. bis sie fast zerfallen. Beide pellen, durch ein Sieb streichen und mischen. Gewürze, Eigelbe und Nussbutter unter die lauwarme Masse heben. Das Mehl vorsichtig unterkneten. Den Teig nicht zu lange bearbeiten, sonst wird er leimig. Gnocchi formen und abkochen. Kurz nachbraten.

Kartoffelpapier: 2 Kartoffeln zerkochen, ausdampfen lassen und durch ein Sieb streichen. Die Restflüssigkeit in den Kartoffeln in einem Topf bei schwacher Hitze aus der Masse herausrühren. Anschließend dünn auf ein Backpapier streichen und im Ofen bei 50 Grad trocknen.

Wildkräutersalat: Gemischte Kräuter wie zum Beispiel Kerbel, Estragon, Petersilie und Dill klein zupfen. Zusammen mit klein gezupftem Radicchio (wenn möglich, nur das Rote) und Frisée (wenn möglich, nur das Gelbe). Alles zusammen dezent mit einer Vinaigrette abschmecken.

Passend dazu: deutscher Imperial Kaviar, für die Garnitur: rosa Pfeffer (rosa Beeren), Wichtig: Das Ei gut salzen und pfeffern nach dem Öffnen!