Zwei Polizisten beim Einsatz: Mehr von ihnen sollen auf die Straße Foto: dpa

Baden-Württemberg ändert seine Polizeistruktur. Der Ansatz: Es gibt größere Einheiten.

Stuttgart - Reinhold Gall gilt als einer, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Aber die nächsten Wochen dürften unruhig werden für den SPD-Innenminister. Am Mittwoch hat er seine mit Spannung erwartete Polizeireform vorgestellt und dabei klargemacht, dass bereits in den vergangenen Tagen die Bedenken aus allen Ecken des Landes gegen die neue Struktur ein ungeahntes Ausmaß angenommen hatten: „Ich habe bereits den dritten Fußabstreifer ausgetauscht“, sagt Gall halb im Spaß, halb im Ernst über die Art und Weise, wie er von Landräten, Bürgermeistern und anderen Kritikern der Reform bedrängt worden sei. Als sein Amtschef Herbert Zinell hinzufügt, er fühle sich derzeit wegen der vielen Protestanrufe „wie in einem Call-Center“, wird deutlich, dass der Plan zur Streichung aller 37 Polizeidirektionen und zur Schaffung von nur noch zwölf Polizeipräsidien in den nächsten Wochen heftige Auseinandersetzungen erwarten lässt.

„Wir nehmen etwas in Angriff, das die alte Landesregierung längst hätte tun müssen“, sagt der Innenminister über die neue Struktur, die von einer Arbeitsgruppe aus Polizeibeamten in den vergangenen drei Monaten erarbeitet worden war. Die Reform sei unumgänglich. Einerseits habe die alte Regierung Hunderte von Stellen bei der Polizei abgebaut, andererseits seien die Aufgaben der Polizei aber immer vielfältiger geworden – von der klassischen Kriminalitätsbekämpfung über das Thema Internetkriminalität bis hin zur Kinderpornografie. „Es wäre unrealistisch, einfach nur nach mehr Personal und Geld zu rufen“, umschreibt der Innenminister die Zwänge. Man müsse deshalb „die Kompetenzen bündeln“. Es könne nicht mehr sein, dass in einer kleineren Polizeidirektion der Experte für Wirtschaftskriminalität zum Mordfall gerufen wird. „Da muss derjenige zur Leiche, der am ehesten etwas von Leichen versteht.“

Die vier Landespolizeidirektionen verschwinden

Genau das soll die Reform erreichen. Künftig wird nicht mehr jeder Landkreis seine Polizeidirektion haben, auch die vier Landespolizeidirektionen bei den Regierungspräsidien in Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Freiburg wird es nicht mehr geben. Stattdessen sollen mehrere Landkreise zusammen ein Polizeipräsidium haben, jeweils mit Kriminalpolizei und jeweils mit einem sogenannten Kriminaldauerdienst, der Tag und Nacht zur Verfügung steht. „Wir wollen die Präsenz der Polizei auf der Straße stärken“, sagt Gall und wehrt sich gegen die Kritik aus den Landkreisen, die Reform werde zulasten des ländlichen Raums gehen. Für die Polizeipräsidien sei eine Richtgröße von 1500 Vollzugsbeamten geplant, und an den rund 150 Polizeirevieren und den knapp 360 Polizeiposten werde ohnehin „nicht gerüttelt“.

Unter dem Strich will Grün-Rot mit der Streichung der Direktionen rund 650 Beamte mehr als bisher in den Streifendienst bringen, weitere 240 Polizisten sollen nicht mehr in den Büros, sondern ebenfalls im Vollzug ihren Dienst verrichten. Wie und wo die Stellen verteilt werden, ist derzeit noch genauso unklar wie die Frage, welche Kreise zu einem Präsidium fusioniert werden und wo dessen Sitz ist. Offen ist auch die künftige Struktur der Bereitschaftspolizei, die es bisher an fünf Standorten im Land gibt. Eines steht schon fest: Die Aus-und Fortbildung der Polizei findet bisher an acht Standorten statt (von Villingen-Schwenningen bis Wertheim), künftig sollen es „deutlich weniger“ (Gall) sein.

„Bis Ostern“ wolle man Struktur- und erste Standortfragen klären,verspricht der Innenminister. Noch vor der Sommerpause soll die Reform in der Regierung abgesegnet werden, ab Herbst beginne die Umsetzung. Und noch in diesem Jahr will Gall die Präsidenten ernennen. Sie werden künftig – wie bisher die Landräte – kleine Könige sein. Aber der Innenminister will die Reform deshalb nicht als Einstieg in die von der SPD seit langem geplante Gebietsreform sehen. Ob das nicht der Anfang zur Schaffung der Regionalkreise sei, wurde er am Mittwoch gefragt. Seine einsilbige Antwort: „Nein.“