Das Ziel der Polizeireform, mehr Beamte auf die Straße zu bringen, wurde nach Ansicht der Experten nicht erreicht. Foto: dpa

Die Empfehlung einer Expertenrunde, die drei Jahre alte Polizeireform im Land nachzujustieren, erntet im Landtag breite Zustimmung. Tempo und Umfang der Korrekturen sind jedoch umstritten.

Stuttgart - Die Empfehlung einer Expertenrunde, die drei Jahre alte Polizeireform im Land nachzujustieren, erntet im Landtag breite Zustimmung. Tempo und Umfang der Korrekturen sind jedoch umstritten – und von individuellen Wahlkreisinteressen geprägt. Das hat eine Landtagsdebatte am Donnerstag gezeigt.

So plädierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke (Pforzheim) dafür, dem Rat der Experten rasch zu folgen, wonach die Zahl der regionalen Polizeipräsidien von derzeit zwölf auf künftig 14 aufgestockt werden sollte. „Wir haben einen deutlichen Handlungsbedarf in der Region Bodensee/Oberschwaben, einen Veränderungsbedarf in der Region Stuttgart, aber eben auch im Nordschwarzwald. Notwendig ist dort ein Polizeipräsidium Pforzheim mit Sitz in Pforzheim zu schaffen.“ Rülke schloss sich auch der Expertenempfehlung an, die bisher zentralisierte Verkehrsunfallaufnahme abzuschaffen, da dieses Modell im ländlichen Raum zu langen Wartezeiten führe. Notwendig sei vor allem, die Ausbildungskapazität bei der Polizei zu erhöhen. Da all dies Geld koste, stelle sich als Hauptfrage an die Regierung: „Stellen Sie die notwendigen Ressourcen für die Sicherheit der Bevölkerung bereit?“

Keine Gefälligkeitsentscheidungen

Der AfD-Abgeordnete Lars Patrick Berg (Tuttlingen) sprach sich ebenfalls für 14 Polizeipräsidien aus, warnte allerdings davor, das bestehende Präsidium in Tuttlingen nach Konstanz zu verlagern – wie von dem Expertengremium vorgeschlagen. Die Tuttlinger Zentrale habe sich bewährt, ein Umzug hätte erhebliche Konsequenzen für das Personal. Gleichwohl enthalte die Evaluation der Polizeireform viel Gutes und Richtiges. So müsse etwa die Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen gestärkt werden.

Auch der CDU-Polizeiexperte Thomas Blenke (Calw) plädierte für 14 Polizeipräsidien, warnte aber vor übereilten Beschlüssen. Dem Prinzip der FDP „erst handeln, dann denken“ werde man nicht folgen. Bis Ende Mai will die grün-schwarze Koalition über die 25 Kernempfehlungen des Expertengremiums entscheiden. Dies werde aber nach rein sachlichen Kriterien geschehen, sagte Grünen-Fraktionsvize Uli Sckerl (Weinheim): „Politische Gefälligkeitsentscheidungen wird diese Koalition nicht treffen, wahlkreisgestützte Vorschläge kommen nicht durch.“

Woher kommt das Geld?

Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder (Geislingen), dessen Fraktionskollege Reinhold Gall die Polizeireform als Innenminister im Jahr 2013 angestoßen und umgesetzt hatte, warnte ebenfalls vor Gefälligkeitsentscheidungen: Die Kosten der zusätzlichen Präsidien – die Gutachter beziffern sie auf 120 zusätzliche Stellen und 30 Millionen Euro – gingen zu Lasten der Polizeiarbeit in den Revieren: „Da darf man schon fragen, ob das Geld nicht besser angelegt ist.“ Er sehe keine Vorteile von 14 Präsidien.

Insbesondere beim gut aufgestellten Polizeipräsidium Ulm verbiete sich jegliche Veränderung. Wenn sie doch gefordert werde, stünden dahinter nicht polizeifachliche Gründe, sondern politische Interessen aus der CDU-Fraktion, sagte Binder. Zu dessen Vorwurf, die Evaluation der Reform komme zu früh, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU), nach 1000 Tagen dürfe man schon mal einen Blick auf die Qualität einer Entscheidung werfen. Veränderungen dürften allerdings nicht zu Lasten der operativen Basis gehen. Strobl erinnerte auch daran, dass die Polizeidichte im Südwesten laut Statistik auf dem letzten Platz in Deutschland liege. Dennoch sei Baden-Württemberg Spitzenreiter bei der inneren Sicherheit.