Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat die Haltung der Politik gegenüber der Polizei scharf kritisiert. Die Polizei sei in den vergangenen Jahren stark beschnitten worden. Wendt fordert mindestens 20.000 zusätzliche Polizisten.

Stuttgart - Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt hat scharfe Kritik an der Haltung der Politik gegenüber der Polizei geäußert. „Die Polizei ist in den vergangenen Jahren stark beschnitten worden, sowohl personell als auch durch Einkommensverluste. Parallel sind immer mehr Aufgaben hinzugekommen. Alle Parteien haben es an der notwendigen Wertschätzung der Polizei vermissen lassen“, sagte Wendt in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten (Freitagausgabe). Nach der Wiedervereinigung und dem Ende des Ost-West-Konflikts hätten „deutsche Politiker geglaubt, jetzt kämen nur noch friedliche Zeiten. Also wurde bei der Polizei, aber auch in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung gespart. Die Folge ist, dass die öffentlichen Strukturen nicht mehr belastbar sind und der Staat nicht mehr handlungsunfähig ist“.

Wendt forderte gegenüber dem Blatt angesichts der Fülle an zusätzlichen Aufgaben und der Herausforderungen durch die Flüchtlingskrise eine „Einstellungsoffensive für den öffentlichen Dienst. Allein bei der Polizei brauchen wir mindestens 20 000 weitere Beschäftigte. Aber wir brauchen auch mindestens 2000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte. Genauso wie mehr Sozialarbeiter, wie mehr Beschäftigte in den Ordnungsämtern, wie mehr Lehrer.“ Wendt warnte zugleich vor einer Ausbreitung von Bürgerwehren. “Die Bürgerwehren sind ein gefährlicher Trend, weil man nicht genau weiß, wer sich da organisiert. Ich halte das gesellschaftspolitisch für eine verhängnisvolle Entwicklung, weil der Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürgern praktisch einseitig vom Staat aufgekündigt worden ist.“ Der Vertrag habe bisher festgeschrieben, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, und dass der im Umkehrschluss die Bürger schütze. „Das ist immer weniger der Fall, und so wollen die Menschen ihr Recht in die eigene Hand nehmen. Irgendwann gilt dann nur noch das Recht des Stärkeren. Und das nutzen Extremisten, die scheinbar für Ordnung sorgen.“

Deutsche Kritik äußerte der Polizeigewerkschafts-Chef an dem immer wieder aufkommenden Ziel der Grünen, eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzufordern. „Wir als Polizei haben mit Rockerkriminalität, organisierter Kriminalität, mit der Bedrohung durch Terrorismus und den neuen Phänomenen im Zuge des Flüchtlingszustroms zu kämpfen, und die Grünen haben nichts Besseres zu tun, als eine Kennzeichnungspflicht einführen zu wollen. Daran sieht man eben auch, dass die politische Klasse auch in ihrer Intellektualität nachgelassen hat. Wer so etwas jetzt fordert, hast nicht mehr alle Latten am Zaun.“