Sturmhaube und Sturmgewehr: Nicht gerade ratsam als spaßige Verkleidung Foto: dpa

Haben wir früher nicht auch Cowboy und Indianer gespielt? Mit harmlosem Kindervergnügen hat die Spielerei mit täuschend echten Waffen aber nichts mehr zu tun. Ein Polizeieinsatz am Wochenende hätte leicht tödliche Folgen haben können.

Weinstadt/Stuttgart - Der Amoklauf von Winnenden scheint verdrängt zu sein. Und offenbar verblassen auch schon wieder die Bilder von den beiden mit Sturmhauben maskierten Attentätern von Paris, die auf offener Straße einen Polizisten erschießen. Zwei 27 und 36 Jahre alte Polizeibeamte der Waiblinger Polizei hatten die Bilder aber sofort wieder im Kopf, als sie am Samstag gegen 19.15 Uhr in Weinstadt-Endersbach (Rems-Murr-Kreis) zu einem brisanten Einsatz gerufen wurden. Ein Autofahrer hatte die Polizei alarmiert, weil er einen mit einer Pistole bewaffneten Mann gesehen hatte.

Der Zeuge hatte sich tatsächlich nicht getäuscht. Die Streife entdeckte in der Traubenstraße tatsächlich eine Person, mit einer Sturmhaube maskiert, mit einer Pistole in der Hand – die versuchte, in der Dunkelheit zu verschwinden. Nach kurzer Verfolgung um ein Hauseck stießen die Beamten auf eine zweite Person – ebenfalls maskiert, allerdings mit einer Maschinenpistole bewaffnet. Die Polizisten richteten ihre Dienstwaffen auf die Unbekannten, forderten sie auf, ihre Waffen fallen zu lassen. „Die beiden zögerten“, sagt Polizeisprecher Bernhard Kohn, „und es war reichlich Zeit, dass der eine oder andere Schuss hätte fallen können.“

Doch so weit kam es glücklicherweise nicht. Die Maskierten senkten schließlich die Waffen und ließen sie fallen. Die Polizisten überwältigten sie, legten ihnen sofort Handschellen an und zogen ihnen dann die Sturmhauben ab. Jetzt zeigte sich: Die beiden waren noch Kinder. Jungs im Alter von zwölf und 13 Jahren. Die Waffen waren täuschend echt aussehende Nachbauten. Und die Kinder starr vor Angst.

"Cowboy-Indianer-Räuber-Gendarm-Spiel"

Offenbar hatte sich niemand etwas bei diesem modernen Cowboy-Indianer-Räuber-Gendarm-Spiel gedacht. „Die Eltern waren sehr aufgeschlossen und schockiert darüber, was da hätte passieren können“, sagt Kohn, „und sie waren glücklich darüber, ihre Kinder unversehrt zurückzubekommen.“ Tatsächlich hatten sie von den Kinderspielen gewusst und es den beiden Buben erlaubt – jedoch nur, wenn sie die elterlichen Grundstücke nicht verlassen. „Vielen ist nicht bewusst, dass auch sogenannte Anscheinswaffen nicht im öffentlichen Raum erlaubt sind“, stellt Kohn fest.

Ein Verstoß gegen das Waffengesetz Paragraf 42 a – eine Ordnungswidrigkeit, die bis zu 10 000 Euro kosten kann. Dabei ist der Kauf und Besitz nicht verboten – nur das Zeigen in der Öffentlichkeit. Alles übertriebene Hysterie? „Diese Pistolen sind nicht als Waffe gefährlich, aber eben wegen ihrer Optik“, stellt Kohn fest. Wer soll das bei schlechten Lichtverhältnissen erkennen können? „Man kann nur an die Eltern appellieren, den Wünschen ihrer Kinder nach solchen Waffen zu widerstehen“, sagt der Polizeisprecher. Die Ware kann jedenfalls übers Internet leicht besorgt werden – bei einer bekannten Online-Plattform beispielsweise kostet eine solche Waffe ab 24 Euro.

Waffenmissbrauch durch Kinder häuft sich

Dabei häuft sich der Waffenmissbrauch durch Kinder in der Region. Ebenfalls in Weinstadt griff bereits am 12. Februar vergangenen Jahres ein Zwölfjähriger ein zehnjähriges Mädchen an und schoss ihr auf die Oberschenkel. Das Kind erlitt zwei rote Flecken. Im Juli 2014 gab es einen Zwischenfall in Esslingen-Weil, wo ein Zwölfjähriger mit einem Gewehr von einem Balkon schoss und den Einsatz von vier Streifenwagenbesatzungen auslöste. Keine zwei Tage später gab es einen Vorfall in Tamm (Kreis Ludwigsburg), wo ein 13-Jähriger von einem Zimmerfenster aus mit einem Luftgewehr auf vorbeifahrende Autos schoss.

Ein Autofahrer, der einen Schlag gegen die Frontscheibe wahrgenommen hatte, brachte die Polizei auf die richtige Spur. Im Jahr davor waren es in Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) zwei Buben im Alter von elf und zwölf Jahren, die auf dem Hartplatz hinter der Alleenschule auf spielende Kinder zielten und zwei acht Jahre alte Kinder leicht verletzten. Ob sich Kinder groß darüber Gedanken machen? Ein Urteil auf der Online-Plattform lautet wörtlich: „Echt geile Softair, schist weit und geht leicht zum nachladen. Ich habe sie jetzt schon 2 Jahre und sie fungzoniert wie neu.“

Die Polizei beschlagnahmte die Waffen in Weinstadt – und hatte den Eindruck, dass die Eltern ganz froh waren, die Teile wieder los zu sein.