Zwei Polizisten aus zwei Ländern im Einsatz: Olaf Daiß (rechts) und sein Kollege aus Therwil bei Basel, Daniel Quain. Foto: Cedric Rehman

Olaf Daiß, der Polizist für Birkach und Plieningen, hat zurzeit Besuch aus der Schweiz. Daniel Quain aus Therwil hospitiert beim Polizeiposten an der Garbe und schaut, was die Kollegen dort anders machen.

Plieningen/Therwil - Das Bild drängt sich förmlich auf, wenn von deutsch-schweizerischer Polizeizusammenarbeit die Rede ist: die Konstanzer Tatort-Kommissarin Klara Blum an einem nebligen Morgen irgendwo am Ufer des Bodensees und neben ihr der Schweizer Kollege Reto Flückiger, der etwas ungelenk im Hochdeutschen Blums Ermittlungen kommentiert.

Nun, die Realität kommt immer unspektakulärer daher als ein Krimi im Fernsehen. Da beginnt der Tag eines Schweizers bei der deutschen Polizei eben nicht mit einem Leichenfund am Ufer des Bodensees, sondern etwas angenehmer mit Brezeln und Kaffee. Daniel Quain aus Therwil im Kanton Basel-Land sitzt mit seinem Kollegen auf Zeit, dem Polizeihauptkommissar Olaf Daiß, im Besprechungszimmer des Polizeipostens Plieningen. Er hospitiert für zwei Wochen in Stuttgart. Mehrere Tage schaut er den Kollegen in Plieningen über die Schulter und beobachtet, was die deutschen Beamten anders machen – oder auch nicht. Basis für den Austausch, den es laut der Stuttgarter Polizei in unregelmäßigem Abstand gibt, ist das Polizeiabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland von 1999.

Sie funken auf derselben Wellenlinie

Über den Vergleich mit den Tatort-Kollegen müssen die zwei Polizisten lachen. Dabei scheinen Daiß und Quain tatsächlich etwas gemeinsam zu haben mit Klara Blum und Reto Flückiger. Die beiden Männer kennen sich erst ein paar Tage, doch sie duzen sich bereits und wirken dabei vertraut. Die beiden machen den Eindruck, als würden sie auf der gleichen Wellenlinie funken, und das bestätigen sie auf Nachfrage. Die Sprachbarriere ist keine, weil der Schweizer Polizist sich redlich darum bemüht, Hochdeutsch zu sprechen. Er könne auch anders, sagt er. „Aber das mache ich nur bis Freiburg im Breisgau. Danach versteht mich kein Mensch“, sagt er. Nur vereinzelt gibt es Verständigungsschwierigkeiten zwischen den beiden. „Wie nennt ihr das, wenn ihr mal Uniform mit einem Langarmhemd oder einem Kurzarmhemd tragt? Wir nennen das Tenue“, sagt Quain. Daiß überlegt, ob es eine eigene Bezeichnung dafür gibt und findet sich dann mit der Einfallslosigkeit der heimischen Sprache ab. „Eine Uniform heißt bei uns einfach Uniform, egal wie wir sie tragen“, sagt er.

Dass auch der Polizist unter der Uniform einfach ein Polizist ist, egal in welchem Land er seinen Dienst tut, wird klar, wenn Daiß und Quain gemeinsam auf Streife gehen. Quain trägt eine dunkelblaue Uniform und keine Mütze. Die habe die Schweiz abgeschafft, berichtet er. Am Hüftgürtel steckt seine Dienstwaffe im Halfter. Quain dürfte sie auf dem Boden der Bundesrepublik einsetzen, etwa wenn er und Daiß während der Streife in Plieningen in eine brenzlige Lage kommen würden und sie sich gegen Bewaffnete zur Wehr setzen müssten. Dieses Szenario dürfte auf der Filderhauptstraße allerdings höchst unwahrscheinlich sein. Folglich geben sich die beiden Polizisten auf ihrer Tour durch den Bezirk ganz entspannt.

Einbrüche sind auch in Therwil ein großes Thema

Eigentlich sei alles sehr ähnlich wie bei ihm zu Hause, sagt Daniel Quain. Therwil ist ungefähr zehn Kilometer von Basel entfernt, der drittgrößten Stadt der Schweiz mit circa 173 000 Einwohnern. Deshalb gleiche es dem ländlich strukturierten Plieningen, das gleichwohl Teil der Großstadt Stuttgart ist. Die Probleme in Therwil seien ähnliche wie in Plieningen. „Einbrüche sind bei uns ein großes Thema, und so, wie ich das mitbekommen habe, ist es hier nicht anders“, sagt Daniel Quain. Sein deutscher Kollege nickt. Er stimmt seinem Schweizer Kollegen auch zu, dass die offenen Grenzen in Europa Kriminellen neue Möglichkeiten bieten. Da die Schweiz als Nichtmitglied der EU gleichwohl am Schengen-Raum teilnimmt und deshalb an der Grenze keine systematischen Personenkontrollen vornehmen darf, ist es leicht für Banden, sowohl in Baden-Württemberg als auch in der Schweiz ihrem kriminellen Handwerk nachzugehen.

Der Schweizer Polizist will dennoch nichts hören von einem Lamento über die offenen Grenzen. Die Delikte, die es gebe, würden von einer gewissen politischen Partei in der Schweiz instrumentalisiert, sagt Quain. Er spielt dabei wohl auf die in seinem Land erfolgreiche rechtspopulistische Volkspartei SVP an. Einig sind sich der Deutsche und der Schweizer auch darin, was einen guten Polizisten ausmacht. Rambos seien fehl am Platz, lautet ihr Fazit. „Heute stellen mehr Bürger in Frage, was wir tun. Wir müssen uns mehr rechtfertigen, weil die Menschen sich ihrer Rechte bewusst sind. Das finde ich im Prinzip richtig, auch wenn es manchmal den Einsatz behindert“, sagt Daniel Quain. Der Polizist nennt als Beispiel den Protest von Passanten, wenn er und seine Kollegen einen Randalierer festnehmen. „Dann fragen viele, warum wir den Mann so hart anpacken, und wir müssen erklären, dass er gewalttätig ist“, sagt der Schweizer Polizist. Sein deutscher Kollege stimmt ihm zu. „Nach dem schwarzen Donnerstag ist es in Stuttgart ganz schlimm gewesen. Da haben viele Bürger uns kaum noch respektiert“, sagt Daiß.

Das Vertrauen der Leute sei wichtig

Der Plieninger Polizeibeamte scheint unter dem Vertrauensverlust nach dem Polizeieinsatz gegen S-21-Gegner am 30. September 2011 im Schlossgarten immer noch zu leiden. Er betont, wie wichtig es sei, dass die Polizei um Vertrauen bei der Bevölkerung werbe. Wieder stimmt ihm sein Schweizer Kollege zu.

Was Daniel Quain denn mitnehmen wird aus Plieningen in seine Heimat? Es sei noch ein wenig früh, das zu sagen, meint der Schweizer. Vielleicht wird er seinen Bericht an seine Kollegen damit beginnen, dass der Polizist unter der Uniform eben immer ein Polizist ist, egal ob in Therwil oder in Plieningen.