Der Verkehrsminister Winfried Hermann (Mitte) auf dem Weg durch die mobile Menschheitsgeschichte Foto: Horst Rudel

Ein Thema beim grünen Aschermittwoch ist der Wolf als potenzielles Opfer des Straßenverkehrs. Es geht aber auch um die mobile Menschheitsgeschichte und die ausgewogene Dosierung gegensätzlicher Tugenden in Flüchtlingszeiten.

Schorndorf - Ungewohnte Stille hat zu Beginn des politischen Aschermittwochs geherrscht, zu dem die Grünen ins Schorndorfer Kesselhaus geladen hatten. Dabei erschallen im Braurestaurant ansonsten doch eher lautere Töne. Petra Häffner, die Grünen-Kandidatin im Wahlkreis Schorndorf, hatte zum Auftakt um stille Teilnahme an einer Schweigeminute für die Opfer des Zugunglücks bei Bad Aibling gebeten. Und ihr Parteifreund, der Waiblinger Kandidat Willi Halder, kündigte an, man fühle sich verpflichtet, das Aschermittwochtreffen als dezente, würdige Vorstellung zu gestalten. Was ihn nicht daran hinderte, sich noch kurz verbal am politischen Hauptgegner abzuarbeiten, bevor er das Wort an den Verkehrsminister des Landes abgab. „Straßenbau und Artenschutz ist schwierig“, sagte Halder, auf entsprechende Wahlplakate des CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf anspielend. Zwei Versuche, Wölfe wieder heimisch zu machen, habe es ja jüngst gegeben. In beiden Fällen hätten die Tiere nach Straßenkontakt „ziemlich zerrupft“ ausgesehen. Halder: „Mal sehen, wie das nach dem 13. März aussieht.“

Einer derer, die zum politischen Biergenuss am Aschermittwoch sehnlichst im Kesselhaus erwartet wurden, war zu dem Zeitpunkt noch nicht erschienen. Boris Palmer, der Tübinger Oberbürgermeister, war zu seiner eigenen Überraschung gleichzeitig als Aschermittwochsredner beim Parteifreund Jürgen Walter in Ludwigsburg eingeplant. Kompromissfähigkeit war da parteiintern gefragt. Deshalb ging der Verkehrsminister Winfried Hermann als Erster in die Bütt.

Ausflug in die Menschheitsgeschichte

Mobilität war da natürlich das große Thema, das der grüne Mobilisator zu einem ausgedehnten Ausflug in die Menschheitsgeschichte nutzte. „Die Jäger und Sammler waren auch mobil, aber ganz natürlich, zu Fuß, als Waldläufer.“ Inzwischen sei der homo sapiens zum globalen Transportwesen mutiert, das nicht nur sich selbst, sondern quasi alles rund um die Welt transportiere. Die übelste Mutation dabei: Testosteron tankende, spätpubertäre Männer, die das Rasen als letzte und zentrale Freiheit betrachteten.

„Das ist autosexuelle Bedrohung“, so formulierte es Hermann – und erntete tosenden Applaus. Und was fällt dem Politgegner dazu ein? Ein Leitwolf Guido mit Straße und die Kampagne, geliefert vom Werbegestalter eines großen Baumarktes in dessen Hausfarben: „Da gibt es ja wahrscheinlich bald die extrabillige Rollstraße von Obi“, lästerte Hermann in fast bajuwarischer Aschermittwochsmanier.

Die Tugenden bei Aristoteles

Die nachdenklichen, wenn auch sehr unterhaltsam rübergebrachten Töne stammten am Ende vom Tübinger OB und Remstalrebellen-Spross Boris Palmer, der gegen halb Neun doch noch im Kesselhaus eintraf. Getreu den Tugenden nach Aristoteles mahnte er mehr Mittigkeit im Denken seiner Parteifreunde an. Die Schwestertugend der Sparsamkeit sei eben die Großzügigkeit, die korrespondierenden Negativextreme der Geiz und die Verschwendung. Die mittige Haltung in der Flüchtlingsfrage ergebe sich da aus genügend Mitmenschlichkeit einerseits und ausreichend Klarheit andererseits – genug Ehrlichkeit eben auch für unangenehme Wahrheiten. Die Augen verschließen, Probleme nicht anzusprechen, das sei „das Gegenteil eines Konzeptes gegen die AfD – wir dürfen diese Themen nicht den Rattenfängern von der rechten Seite überlassen.“ Im Übrigen, so der nach allen Seiten streitbare Grüne beim Besuch in der alten Heimat, „hat es mich gefreut, dass die Grünen mich mal wieder einladen zu einer Veranstaltung“.

Wieder angefreundet haben sich am Ende auch die Besucher des grünen Polit-Aschermittwochs mit dem Kesselhaus. Im Vorfeld hatte es Irritationen gegeben, weil die Bierbrauer ihr Etablissement kürzlich für eine Veranstaltung der AfD zur Verfügung gestellt hatten. Da hatte es von grüner Seite sogar die eine oder andere Kesselhaus-Boykott-Aufforderung gegeben.