Schwer und schwer beliebt: Maggie De Blocks Gewicht ist Gegenstand eine Debatte über die Vorbildfunktion von Politikern. Foto: EPA

Darf eine übergewichtige Politikerin wie Maggie De Block Gesundheitsministerin werden? – Und geht das Gewicht eines Politikers überhaupt jemanden an? Diese Fragen beschäftigen zur Zeit die belgische Öffentlichkeit.

Brüssel - Dass der belgischen Politik seit Jahren Spitzenpolitiker mit Gewicht fehlen, würde keines der gut zehn Millionen Landeskinder bestreiten. Doch mit der neuen Regierung unter Ministerpräsident Charles Michel hat das Land zumindest in dieser Hinsicht ein echtes Luxusproblem. Denn Maggie De Block, 52 Jahre alt, flämische Liberale  und promovierte Ärztin, bringt nicht nur alle Fachkenntnisse für ihr neues Amt als Gesundheitsministerin mit, sondern auch jede Menge Kilos auf die Waage.

„Ich bin dick, ich weiß es“, sagt die Politikerin, die schon zuvor drei Jahre lang als Staatssekretärin  für Asylpolitik auf der Regierungsbank Platz genommen hatte. Bekannt wurde De Block durch ihr breites, lautes und freundliches Lachen. Doch das hinderte den belgischen Journalisten Tom Van de Weghe nicht daran, per Twitter zu fragen: „Belgien hat jetzt eine Gesundheitsministerin, die unter Fettleibigkeit leidet. Wo bleibt die Glaubwürdigkeit?“ Er entfachte einen Sturm der Entrüstung.

De Block selbst, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, konterte die Attacke kurz und bündig: „Ich denke, die Anmerkungen sind Unsinn. Im Parlament urteilen meine Kollegen nie wegen meines Aussehens über mich. Aber sie beglückwünschen mich zu meinem Fachwissen.“

Genaue Gewichtsangaben gibt es weder offiziell noch inoffiziell. Zeitungskommentatoren orakeln, die Ministerin leide an einer chronischen Krankheit. Die Angesprochene schweigt dazu. Sie lächelt höchstens, wenn sie mal wieder irgendwo als „Mega-Maggie“ bezeichnet wird.

Doch inzwischen bekommt die öffentliche Diskussion auch nachdenkliche Züge. Nicht nur in den flämischen und wallonischen Medien wird mehr und mehr die Frage gestellt, wie tolerant eine Gesellschaft mit Krankheiten oder gar Behinderungen ihrer Spitzenmannschaft umgehen sollte.

Eine, die das auch kennt, ist die frühere österreichische Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, die auf dem Höhepunkt ihrer Körperfülle dachte, sie könne Kritiker dadurch mundtot machen, dass sie ein Buch unter dem Titel „Schweinsbraten & Co – die besten Rezepte vom Schwein“ veröffentlicht. Heute, 30 Kilo leichter, sagt sie: „Ich finde die Diskussion über Äußerlichkeiten entsetzlich. Es geht niemanden etwas an, ob jemand dick oder dünn ist. Auch nicht bei einer Gesundheitsministerin. Es geht um Kompetenzen, nicht um Aussehen.“

Auch die neue Wiener Chefin im Gesundheitsressort, Sabine Oberhauser, kennt das Thema. Sie erleichterte sich um zwölf Kilo, hörte mit dem Rauchen auf und joggt jeden Morgen um 5 Uhr. Heute betont sie, die Figur gehe nur den Betroffenen selbst etwas an. Bei einer Gesundheitsministerin gebe es allerdings schon „das Problem mit der Glaubwürdigkeit“.

Das alles ficht Maggie De Block wenig an. Sie teilt das Problem des Übergewichts ohnehin mit rund 47 Prozent ihrer Landsleute. Von vielen ist bekannt, dass dahinter keine krankhaften Ursachen, sondern schlicht die Liebe zu den Nationalgerichten Fritten mit Mayonnaise sowie Pralinen steckt.

Um ihre angekratzte Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, rieten ihr Experten im flämischen Fernsehen bereits, sie solle sich „zur nationalen Ikone“ machen und gemeinsam mit den betroffenen Männern und Frauen des Königreichs Belgien abnehmen. Doch stets schwingt in allen Diskussionen jener zweifelnde und fragende Unterton mit, der der Gesundheitsministerin auch so etwas wie eine Brücke bauen soll: Was wäre, wenn es sich bei ihrem Übergewicht tatsächlich um das Ergebnis einer Krankheit handeln sollte?

Auch wenn die Fälle kaum vergleichbar sind, erinnert man in diesem Zusammenhang an die französische Ex-Familienministerin Dominique Bertinotti, die ihr Brustkrebs-Leiden inklusive kräftezehrender Chemotherapie unter einer Perücke versteckte, sich als Kämpferin für die Homo-Ehe im Pariser Parlament einen Namen machte und später eingestand, das Schlimmste sei die Furcht gewesen, man könne im grellen Scheinwerferlicht, in dem Spitzenpolitiker ständig stehen, ihr künstliches Haarteil oder andere Anzeichen der Schwäche erkennen, ihr Geheimnis aufdecken und sie damit angreifbar machen.

Maggie De Block beteiligt sich an solchen Diskussionen nicht, sondern konzentriert sich auf die Regierungsarbeit. Von Plänen zu einem staatlichen Diät-Kurs ist nichts bekannt. Ganz im Gegenteil: In diesen Tagen erscheint ein neues Buch über die beliebteste Politikerin, die Belgien je hatte: „Buitengewoon“ heißt es. Übersetzt: ungewöhnlich. Und wie zur Bestätigung ziert sie selbst das Cover – formatfüllend. Ein Radiosender wollte vor einigen Tagen wissen, wen die Belgier am liebsten als Premier hätten, nachdem Amtsneuling Charles Michel einige Male unglücklich auftrat. Die überragende Mehrheit antwortete: Maggie De Block. Irgendwie also doch eine Frau mit Gewicht.