„Begeisterung für die Politik muss bei mir niemand mehr wecken“, sagt Walter Döring, einst FDP-Landeschef und Wirtschaftsminister, jetzt Unternehmer. Foto: dpa

Um den ehemaligen FDP-Landeschef gibt es parteiintern heftige Debatten.

Stuttgart - Es war Ende Januar, in Schwäbisch Hall fand der Kongress der Weltmarktführer statt. Unternehmer und Politiker diskutierten über Fachkräftemangel, Demografie, Rohstoffknappheit, Standortprobleme – und tauschten Visitenkarten zuhauf. Mittendrin: Walter Döring, einst Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg, seit 2004 Unternehmer. Er hatte die Veranstaltung organisiert und wurde dafür gelobt und geherzt. „Das ist wie ein kleines Davos“, meinte ein Vorstandsvorsitzender. Ein anderer ergänzte: „Er kennt beide Seiten, die Politik wie die Wirtschaft: Besser geht’s nicht.“ Und so war es nur eine logische Konsequenz, dass sich am Abend, als ausgewählte Sterneköche den Gästen aus aller Welt regionale Spezialitäten wie glasierten Bauch vom Schwäbisch Hällischen Landschwein servierten, die Stimmen mehrten, so einer wie der Döring müsse wieder in die Politik: „Vielleicht kommt er ja 2013 wieder“, prophezeite ein Firmenchef.

2013, das ist das Jahr der Bundestagswahl. Und wie mancher Unternehmer dachten zuletzt auch einige in der Südwest-FDP, die Zeit sei reif für ein Comeback von Döring. Nicht mehr im Landtag, sondern auf Bundesebene. 2004 war er vom Amt des Landesparteichefs und des Wirtschaftsministers zurückgetreten, nachdem er sich im Strudel der sogenannten Flowtex-Affäre in Widersprüche verstrickt hatte und schließlich zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldauflage von 20 000 Euro verurteilt worden war. Döring war damit vorbestraft. Er verschwand von der politischen Bühne, die über 20 Jahre seine Spielwiese gewesen war. Und doch war der 58-Jährige nie wirklich weg.

Je schlechter es der FDP ging, umso mehr litt er mit. „Mir fehlt in der FDP die Abteilung Attacke, die ihre Themen offensiv darstellt und den politischen Gegner ins Visier nimmt statt sich selbst“, sagte Döring vor einem Jahr. Offenbar sprach er damit vielen in der Südwest-FDP aus der Seele. Und so wurden die Rufe nach ihm immer lauter. „Ich halte viel von Walter Döring“, sagt Bernhard Dechant, Kreisvorsitzender im Breisgau-Hochschwarzwald, „auch jetzt“. Döring habe damals beim Thema Flowtex „eine Dummheit begangen“, aber das sei erledigt. „Er war als Parteivorsitzender herausragend und ist einer der besten Redner, die wir nach wie vor haben.“ So ein Zugpferd brauche die FDP wieder, um aus dem Tal der Tränen herauszukommen und bei der Bundestagswahl möglichst mit vielen Abgeordneten aus dem Südwesten wieder in den Bundestag einzuziehen. Zur Erinnerung: Derzeit sind es 15 FDP-Abgeordnete aus dem Land.

Der 58-Jährige war nie wirklich weg

Dechant ist nicht der Einzige, der so denkt. Auch Ulrich Fehrlen vom Kreisverband Esslingen sieht in Döring nach wie vor ein Aushängeschild. Als der jüngst als Gastredner in Esslingen auftrat, war der Saal voll. „Wir haben überlegt, ob wir ihm ein Angebot machen sollen“, sagt Fehrlen im Rückblick. Soll heißen: Döring wäre ein willkommener Kandidat für die Bundestagswahl. Nach Recherchen unserer Zeitung haben ihm zuletzt mehrere Kreisverbände dies angeboten.

Sein politisches Gespür blitzt immer wieder auf

Genau das hat nun aber für heftige Unruhe gesorgt – in Berlin wie in Stuttgart. Zum einen, weil Döring damit zwangsläufig auf der FDP-Landesliste zum Konkurrenten für seine Nachfolgerin und Landesvorsitzende Birgit Homburger würde, die erneut als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl gehen will. Zum anderen, weil nächste Woche der Bundesparteitag in Karlsruhe ist und sich die Partei im Stammland neue Personaldebatten ersparen möchte. Döring nährte am Freitag indirekt die Spekulationen um seine Person.

Als er in Stuttgart die Projektpläne des Windkraftanlagenbauers Windreich vorstellte, wo er als Vizechef amtiert, blitzte sein politisches Gespür immer wieder durch. Die Energiewende und der Ausbau der Windkraft könne nur gelingen, wenn die Politik bei der Neugestaltung des Landesplanungsgesetzes Tempo mache. Doch die Tatsache, dass gleich vier Ministerien – Umwelt, Landwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft – mitreden „und über allem noch das Staatsministerium schwebt“, erleichtere nicht die Arbeit. „Ich war lange genug in der Politik, um zu wissen, dass es zu Verzögerungen führt, wenn mehrere Ministerien mitreden.“ Das Ziel von Grün-Rot, bis 2020 noch 1200 neue Windkraftanlagen im Land zu erhalten, werde extrem schwierig. „Bei allem Wohlwollen“, so Döring, „aber vor dem Jahr 2014 ist kein Durchbruch beim Anlagenbau zu erreichen.“ Zwar herrsche im Südwesten in Sachen Windkraft „Goldgräberstimmung“, aber den Interessenten und Investoren „rast die Zeit davon“.

Offene Ablehung schlägt Döring entgegen

Da war er wieder, der Unternehmer Döring, der politisch denkt. Aus dem FDP-Landesvorstand schlägt ihm aber teilweise offene Ablegung entgegen. „Ein Vorbestrafter darf nicht unser Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden“, sagt einer. Ein anderer giftet, Döring sei schon oft gehandelt worden für Ämter auf Bundes- und Europaebene, zuletzt gar als Kandidat für die Stuttgarter OB-Wahl, nun sei Schluss. „Er ist beim richtigen Arbeitgeber, denn er hat schon immer viel Wind gemacht. Da soll er bleiben.“

Döring sind die ablehnenden Äußerungen nicht verborgen geblieben. Am Freitagabend zog er einen Schlussstrich unter die internen Diskussionen. „Begeisterung für die Politik muss bei mir niemand mehr wecken“, sagte er unserer Zeitung, die Angebote aus den Kreisverbänden seien „verlockend“, das mögliche Comeback „sehr reizvoll“. Aber, auch wenn sein Vertrag bei der Windreich AG nächstes Jahr ausläuft, er habe sich entschieden, in der freien Wirtschaft zu bleiben: „Ich werde nicht in die Politik zurückkehren.“