Karen Rath (links) und Susanne Pavkovic überwachen den ruhenden Verkehr auf Stuttgarts Straßen. Foto: Waltraud Daniela Engel

„Dumme Kuh“ ist noch eine der harmloseren Beleidigungen. Als Politesse braucht man neben gutem Schuhwerk und Wetterfestigkeit auch ein dickes Fell. Doch manchmal gibt es auch Nettigkeiten. Ein Tag im Leben von Karen Rath und Susanne Pavkovic.

Möhringen - Das Schiffchen am Haar festgesteckt, das mobile Datenerfassungsgerät sicher in der Bauchtasche verstaut, geht es an diesem Tag für Karen Rath und Susanne Pavkovic gemeinsam auf Streife nach Möhringen und ins Industriegebiet Fasanenhof. Die beiden sind Politessen – oder wie es fachlich richtig heißt: Beschäftigte im Verkehrsüberwachungsdienst. Ein Beruf, für den sie nicht nur eine absolute Wetterfestigkeit und gutes Schuhwerk, sondern oft auch ein dickes Fell brauchen.

„Die Aggressivität hat in den letzten Jahren leider schon zugenommen“, sagt Karen Rath. Sie selbst kontrolliert seit mehr als 26 Jahren in Stuttgart, ob Behindertenparkplätze frei sind, Parkscheine abgelaufen sind, die richtigen Umweltplaketten an der Windschutzscheibe kleben, der TÜV abgelaufen ist oder Feuerwehrzufahrten frei gehalten werden. Nicht jeder, der ein Verwarnungsangebot – das umgangssprachliche Knöllchen – hinter dem Scheibenwischer findet, reagiere gelassen. Immer öfter müssen sich Rath und ihre Kollegen Beleidigungen und Beschimpfungen anhören. „Teilweise ist das sehr ehrverletzend“, sagt die 50-Jährige. Dabei sei von „Du blöde Kuh“ bis hin zu „Dumme F...“ alles dabei, erklärt sie. Meistens tief unterhalb der Gürtellinie.

Im eingeschränkten Halteverbot nach eigenem Ermessen

Selbst vor tätlichen Angriffen der Verkehrssünder seien sie nicht gefeit. In der Filderbahnstraße, wo an diesem Tag die Streife beginnt, gibt es aber keine Beleidigungen. Eine BMW-Fahrerin hat die Parkzeit überschritten. 30 Minuten darf man dort – dank der Brötchentaste – kostenlos parken. Die Frau steht aber schon mehr als eine Stunde. „Hier müssen wir sehr streng sein“, erklärt Rath und klemmt den Strafzettel hinter den Scheibenwischer des BMWs. Schließlich sei eine ihrer Aufgaben, das Parkraummanagement zu überwachen. Und der von der Stadt bewirtschaftete Parkraum soll nicht von Dauerparkern genutzt werden. Ihre Kollegin Susanne Pavkovic, die dieses Jahr ihr 25. Dienstjubiläum feiert, hat auf der gegenüberliegenden Straßenseite derweil einen Fall, in dem sie nach eigenem Ermessen entscheiden muss. Im eingeschränkten Halteverbot dürfen eigentlich nur Lieferanten parken und den Wagen verlassen. Der Privatmann, der eben seinen silbernen Wagen verlassen hat, um schnell in der Bank Geld zu holen, müsste eigentlich einen Strafzettel bekommen. Schließlich erfüllt er den Tatbestand des Parkens. „Nicht jeder Falschparker verletzt bewusst die Regeln“, sagt Pavkovic. Deshalb weist sie den jungen Mann auch nur daraufhin, nächstes Mal lieber auf einen regulären Parkplatz zu stehen. Ein Knöllchen bleibt ihm erspart.

Obwohl beide den Blick für Falschparker haben, haben auch sie privat schon mal einen Strafzettel bekommen. „Der Parkschein war abgelaufen“, sagen die Politessen unisono. Allerdings dürfe das nicht zu oft vorkommen. Und wer meint, die Knöllchen von Kollegen verschwinden mit einem Anruf, hat sich getäuscht. „Wir bezahlen die Strafe selbstverständlich“, sagt Rath. Einig sind sich beide auch, dass es für sie „No-Go-Areas“ gibt: So würden sie niemals in einer Brandschutzzone oder auf einem Behindertenparkplatz parken.

Es geht nicht darum, die Bürger zu ärgern

In ihrer langjährigen Erfahrung auf Streife haben beide festgestellt, dass Falschparken jedem passieren kann – alle sozialen Schichten, jeder Berufsstand, alle Altersklassen. „Wir machen den Job nicht, um die Bürger zu ärgern“, sagt Rath. Es gebe einfach Regeln, an die sich alle Verkehrsteilnehmer halten müssten. Wer zum Beispiel an einer Einmündung oder Kurve parkt, gefährde Kinder. „Ein Kind kann nicht über die parkenden Autos hinweg sehen und wird auch nicht gesehen“, erklärt Pavkovic. Wenn ein Tier oder gar ein Kind im Auto eingesperrt ist, sind auch die Ordnungshüterinnen gefragt. Glücklicherweise sind die meisten, denen Rath und Pavkovic ein Knöllchen verpassen müssen, einsichtig. „Wenn man freundlich zu den Menschen ist, sind sie meist auch nicht wütend“, sagt Pavkovic.

Vor vielen Jahren habe sie einmal in Sillenbuch jemanden mündlich verwarnt und ihm das Bußgeld damit erspart. „Der Fahrer war so dankbar, dass er mir im Nachhinein ein paar Blümchen geschenkt hat“, erzählt die 43-Jährige. So etwas sei freilich die Ausnahme. Trotzdem haben beide Frauen keinen einzigen Tag bereut, sich zu Beschäftigten im Verkehrsüberwachungsdienst umschulen zu lassen und seither regelmäßig auf Streife zu gehen.