Die Schleuse bei Poppenweiler im Kreis Ludwigsburg: Sie ist eine von mehreren Schleusen zwischen Heilbronn und Plochingen, die vorerst keine Chance auf Ausbau haben dürften. Foto: Peter-Michael Petsch

Der Streit um den Ausbau der Neckarschleusen spitzt sich zu. Es gebe wichtigere Wasserstraßen als den Abschnitt Plochingen–Heilbronn, sagt der Bundesverkehrsminister.

Stuttgart - Im Bewusstsein vieler Stuttgarter spielt der Neckar nicht unbedingt eine Hauptrolle. Bei dem Fluss handele es sich nur um eine hässliche Fahrrinne für Frachtkähne, lautet allenthalben der Tenor; vor allem zwischen Plochingen und Stuttgart, wo Industriebauten und eine Bundesstraße den Neckar in ein Korsett zwängten. Doch auch die Bedeutung des Neckars als wichtiger Schifffahrtsweg wird durchaus unterschiedlich bewertet, im fernen Berlin anders als im Mittleren Neckarraum. Herauszulesen ist das aus einem Konzept der Bundesregierung zur Neuordnung der deutschen Wasser- und Schifffahrtwege. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Auf dem mittleren Neckar wird zu wenig Fracht transportiert, als dass eine Verlängerung der Schleusen mit Kosten von jeweils etwa sechs Millionen Euro gerechtfertigt wäre. Damit einher geht eine Herabstufung des Wasser- und Schifffahrtsamts Stuttgart zu einer Außenstelle des Wasser- und Schifffahrtsamts Heidelberg.

Das darf nicht sein, sagte sich auch Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU), als das Papier vor einigen Wochen publik wurde – und hat jetzt einen Mitstreiter beim politischen Gegner gefunden, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Das Resultat: ein Briefwechsel mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der dieser Zeitung vorliegt und dem es nicht an klaren Worten mangelt. „Die Häfen Stuttgart und Plochingen werden vom Einsatz moderner Güterschiffe ausgeschlossen mit erheblichen ökonomischen und ökologischen Folgen (. . .) für die gesamten Region Stuttgart mit ihrer exportorientierten Wirtschaft“, schreiben Kretschmann und Schuster. Sie argumentieren mit einem Gutachten des Landes. Demnach könnten die Häfen Stuttgart und Plochingen bis 2025 statt der zurzeit rund sieben Millionen bis zu 18 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr umschlagen. Bei dem absehbaren Anstieg des gesamten Güteraufkommens um bis dahin 80 Prozent würden die Kapazitäten Prognosen zufolge benötigt, sagen Befürworter des kompletten Schleusenausbaus.

Ramsauer: Ausbau nur bis Heilbronn

Kretschmann und Schuster fordern von der Bundesregierung, Wort zu halten: Schließlich habe der Bund 2007 in einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Land den Ausbau aller Neckarschleusen bis zum Jahr 2024 zugesagt. „Aufgrund der Vereinbarung (. . .) sehen wir den Bund in der Pflicht, die Finanzierungsmittel für die Modernisierungsmaßnahmen bereitzustellen“, heißt es in dem Brief weiter. Der Vorschlag des Landeschefs und des OB: von der Neckarmündung aus die Sanierung der jeweils zweiten Schleusenkammer zu verschieben und mit dem gesparten Geld stattdessen jeweils eine Kammer an den Anlagen von Heilbronn bis Plochingen zu verlängern, damit große, 135 Meter langen Frachtschiffe auch den mittleren Neckar befahren können. Bisher ist lediglich der Schleusenausbau von der Mündung bis nach Heilbronn vorgesehen.

Überzeugt haben die Argumente den Bundesverkehrsminister nicht. Ramsauer bleibt bei seiner Haltung: Ausbau nur bis Heilbronn. Sein Ministerium habe „alle Bundeswasserstraßen entsprechend ihrer Bedeutung kategorisiert“. Demnach wurden Rhein, Main, Mosel und Teile von Elbe und Neckar in die höchste, die Kategorie A, der Neckar von Heilbronn bis Plochingen jedoch nur in Kategorie B eingestuft. Eine höhere Einstufung des Neckars respektive dessen kompletter Ausbau „könnte nur zulasten deutlich wichtigerer Wasserstraßen erfolgen“, schreibt Ramsauer in seinem Antwortbrief an Kretschmann und Schuster

Etliche Neckarschleusen sind teils so marode, dass der Schiffsverkehr wegen Reparaturarbeiten immer wieder lahmgelegt ist

Hintergrund ist, dass dem Bund schlicht das Geld für einen solchen Komplettausbau fehlt. „Die dringend notwendige Haushaltskonsolidierung“ begrenze die Spielräume für Investitionen, so Ramsauer. Den Vorschlag von Kretschmann und Schuster, die Sanierung von jeweils einer Kammer zu verschieben, kontert Ramsauer mit den Bauabläufen während der Ausbauarbeiten, denn es drohe dann das „Risiko eines Totalausfalls“ einer Schleusenanlage. Tatsache ist: Etliche Neckarschleusen sind teils so marode, dass der Schiffsverkehr wegen Reparaturarbeiten immer wieder lahmgelegt ist.

Am Freitag haben Winfried Kretschmann und Wolfgang Schuster Schützenhilfe von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) erhalten. Die aus Geldmangel „geplante Unterteilung des Neckars in einen unteren Bereich (bis Heilbronn) mit komplett verlängerten und sanierten Schleusen sowie einen oberen Teil zwischen Heilbronn und Plochingen ohne entsprechenden Ausbau der Schleusen lehnen wir im Sinne unserer Wirtschaft ab“, sagte IHK-Präsident Herbert Müller. Ein Ausbau aller Schleusen sei für die stark vom Export abhängige Wirtschaft der Region von herausragender Bedeutung.