Niko Eleftheriadis zitiert aus den Schriften Karl-Heinrich Ulrichs. Foto: Nina Ayerle

Der bisher namenlose Ort an der Kreuzung Filder-/ Lehenstraße im Stuttgarter Süden ist nun nach dem „ersten Schwulen der Weltgeschichte“ benannt. Der Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz soll ein Symbol für Toleranz und Akzeptanz gegenüber Homosexuellen werden.

S-Süd - Wenn die ganze Gesellschaft ihre Ansicht überdenken muss, dann darf das Theater als solches nicht außen vor bleiben. „Auch die Theaterleute müssen ihre Geschlechterpolitik überprüfen“, sagte Niko Eleftheriadis vom Theater Rampe. Deshalb könne der Klassiker der Literaturgeschichte doch schlicht auch einfach „Romeo und Julian“ heißen. Sich selbst stellte Eleftheriadis als „Amazone und Karl-Heinrich-Ulrichs Schwester im Geiste“ vor.

Eine Welt in der alle gleich gleich oder gleich ungleich sind

An seinem 120. Todestag wurde der kleine Platz an der Kreuzung Lehen-/ Filderstraße nach dem Vorkämpfer Ulrichs benannt. Anlässlich der Taufe zitierte Eleftheriadis nicht nur aus den Schriften des „ersten Schwulen der Weltgeschichte“, wie Ulrichs bezeichnet wird, sondern stellte auch sein eigenes „Pamphlet für die gleichgeschlechtliche Liebe“ vor. Der Schauspieler wünscht sich darin eine Welt, in der „alle gleich gleich oder gleich ungleich“ sind und in der im Pass nicht mehr das Geschlecht steht, sondern vielleicht einfach nur „ich sammle gerne Oldtimer“.

In München, Berlin und Frankfurt hat Ulrichs bereits einen Platz gefunden. In dieser Woche hat die Stadt Stuttgart nachgezogen und hat ihm einen Ort im Stuttgarter Süden gewidmet. Mit der Namensgebung erinnert die Landeshauptstadt ebenfalls an einen der bekanntesten Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen. Bürgermeister Werner Wölfle hat den Platz im Beisein von Stadträten, Bezirksbeiräten und Bezirksvorsteher Raiko Grieb getauft.

Initiiert wurde die Umbenennung vornehmlich von der grünen Gemeinderatsfraktion sowie vom Stuttgarter Arbeitskreis LSBTTIQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuell, Transgender, Intersexuell, Queer). „Der Wunsch, Karl-Heinrich Ulrichs in den Stadtplan aufzunehmen, wurde gemeinsam getragen“, sagte Wölfle bei der Einweihung. Auch mit der Wahl des Ortes sei der der Arbeitskreis einverstanden gewesen. Bisher war der kleine Dreiecksplatz ohnehin namenslos.

Der Pionier der Sexualwissenschaft lebte einst in Stuttgart

Acht Jahre hatte Ulrichs, der als Pionier der Sexualwissenschaft galt, einst in Stuttgart gelebt. Zwölf Schriften über die gleichgeschlechtliche Liebe hatte der Theologe, Historiker und Jurist verfasst. Er bekannte sich stets öffentlich zu seinen homosexuellen Neigungen und forderte bereits im Jahr 1867 beim deutschen Juristentag in München die Straffreiheit für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen. In der damaligen Zeit mehr als nur ein Skandälchen, weshalb Ulrichs ein Berufsverbot als Jurist erteilt wurde. Das würde ihm zwar heute so nicht mehr passieren. Aber: „Bei manchen ist ja die Zeit auch heute noch nicht arg viel weiter vorangeschritten“, sagte Werner Wölfe bei der Namensgebung des Platzes. Umso mehr brauche eine Stadt wie Stuttgart einen Ort für jeden, der sich zur LSBTTIQ-Community dazu zähle.

Auch Christoph Michl, Vorsitzender des Stuttgarter CSD-Vereins begrüßte die Entscheidung der Stadtverwaltung, mit der Taufe des Platzes nach Ulrichs ein Symbol zu schaffen. „Nur so kann sich die Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft verankern“, betonte er. Ja, sogar dankbar sei er für dieses Symbol, das für ihn vor allem für Sichtbarkeit stehe. Denn es gebe in der Gesellschaft immer noch zu viele Menschen, die ein Problem mit gleichgeschlechtlicher Liebe haben. „Nicht zuletzt der Staat hat dies ja auch noch bis ins Jahr 1994 stigmatisiert“, sagte Michl. Denn erst in diesem Jahr, im Zuge der Wiedervereinigung von BRD und DDR, wurde der entsprechende Paragraf 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, aus dem Gesetz entfernt.