Die EU sagt den Plastiktüten den Kampf an. Foto: dpa

Plastiktüten sind billig und praktisch - und schaden der Umwelt. Jetzt will die EU den Verbrauch drosseln. Doch die neuen Regeln haben Lücken. Ob sie die Umwelt wirklich vor der Tüte beschützen?

Brüssel - Wer kennt das nicht: Man steht im Supermarkt an der Kasse und hat seine Tasche vergessen. „Und eine Tüte, bitte!“, sagt man dann schnell. Oder greift zu den Beuteln, die verführerisch ausliegen. Auch, wenn die Tüte 10 oder 15 Cent kostet und das Umweltgewissen ein bisschen plagt. In Drogeriemärkten, Boutiquen und Elektrogeschäften gibt es Beutel sogar meist noch gratis. Zuhause landet die Tüte dann oft im Müll.

Das ist ein Problem, zumal die Plastikflut kontinuierlich wächst. In der EU landen jährlich acht Milliarden Beutel in der Landschaft oder im Meer, mit verheerenden Folgen. „Weggeworfene Kunststofftragetaschen können noch Hunderte von Jahren überdauern“, warnt die EU-Kommission. Sie schätzt, dass 94 Prozent der Nordseevögel inzwischen Plastik im Bauch haben. Würden weniger Tüten produziert, würde man zudem Energie und Ressourcen sparen.

Nun nimmt die EU den Kampf gegen die Plastiktüten auf - doch weniger radikal als zunächst geplant. So fand ein Vorstoß für ein europaweites Verbot keine Mehrheit unter den EU-Staaten. Seit Jahren setzt Brüssel nun schon auf freiwillige Selbstverpflichtungen des Handels, ohne dass der Trend sich dreht. Nach jüngsten Zahlen von 2010 nutzt jeder Europäer durchschnittlich 176 leichte Einwegtüten pro Jahr. Diese Zahl soll nach dem Willen der EU bis zum Jahr 2025 nun auf 40 sinken.

Beim Handel sind Plastiktüten, die mit dem eigenen Logo bedruckt werden, als Werbemittel sehr beliebt, wie Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beklagt: „Plastiktüten sind in der Anschaffung billig, und man erreicht damit auf der Straße mehr Verbraucher als mit einem Werbefilm.“ Die Deutschen sind dabei noch vergleichsweise vorbildlich. Das ist laut Handelsverband Deutschland (HDE) auch dem durch den grünen Punkt weit verbreiteten Recyclingsystem zu verdanken.

Betrachtet man europaweit den Verbrauch von Plastiktüten - Einweg und Mehrweg - so liegt Deutschland auf dem viertbesten Platz. Bei den Einwegtüten ist es immerhin noch Platz sechs (mit 64 Tüten). Umweltbewusste Spitzenreiter sind nach EU-Angaben Dänemark und Finnland mit vier Einwegtüten pro Kopf und Jahr. Schlusslichter sind dagegen Polen, Portugal und die Slowakei mit 466.

In Deutschland bleibt noch einiges zu tun

Somit bleibt auch in Deutschland noch einiges zu tun. Die bis 2019 angestrebte Zielmarke von 90 Tüten wird zwar jetzt schon unterboten. Bis 2025 muss der Verbrauch aber sinken. Wie das zu schaffen ist, ist umstritten. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) plant keine Abgabe oder gar Verbote. Dafür spreche „derzeit nichts“, sagt die Sprecherin der Ministerin.

Umweltverbände kritisieren das. „Es bleibt wohl mal wieder dem Handel überlassen, wie er diese Ziele erreicht“, meint Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. „Wir fordern eine Abgabe von mindestens 22 Cent oder mehr pro Tüte. Nur dann denkt der Verbraucher darüber nach, ob er eine Plastiktüte nimmt.“ Als Vorbild gilt Irland, wo eine neue Abgabe den Verbrauch von Plastiktüten rapide von 328 auf 18 je Bürger und Jahr senkte. Auch wenn die EU nun handelt, wimmelt das neue EU-Gesetz noch von Ausnahmen. So beziehen sich die Vorgaben nur auf leichte Einwegtüten, die heute noch oft an den Kassen liegen.

Ausgenommen sind dagegen ganz dünne Beutel, in die Obst, Gemüse oder auch Frischfleisch verpackt werden. Ein Verbot hätte zur Folge gehabt, dass noch schädlichere Schalen aus Schaumstoff gefördert würden, lautet das Argument. Auch dicke Tüten, die mehrfach benutzt werden können, sind von den Regeln nicht betroffen. Die Umweltschutzorganisation European Environmental Bureau (EEB) fordert ein Verbot neuartiger Tüten, die vorgeben, biologisch abbaubar zu sein, obwohl sie es nicht sind. Das Thema bleibt also auf der europäischen Agenda. Die EU-Kommission jedenfalls mahnt: Man müsse Maßnahmen treffen, „um ein sehr ernstes und gut sichtbares Umweltproblem zu lösen“.