Egoshooter wie Counterstrike stehen in der Kritik – auch der 15-jährige Gerlinger hat sich mit den Killerspielen die Zeit vertrieben. Foto: dpa

Der Hass des 15-jährigen Schülers, der am Dienstag festgenommen wurde, richtet sich offenbar gegen ein Gymnasium in Gerlingen. Die Nachrichten, die er mit dem Attentäter aus München austauschte, werden nun analysiert.

Gerlingen - Er hortete Waffen, postete Fotos von Bomben, verehrt Amokläufer – und trägt offenbar einen tiefen Hass in sich, der sich gegen seine Schule richtet, das Robert-Bosch-Gymnasium in Gerlingen. Nachdem die Polizei am Dienstag einen 15-jährigen Schüler festgenommen hat, der in Kontakt mit dem Münchner Amok-Attentäter stand und womöglich selbst einen Amoklauf vorbereitete, werden immer mehr Details bekannt.

Am Donnerstag ist durchgesickert, dass der Verdächtige aus Gerlingen stammt, er wohnt bei seinen Eltern und besucht nach Informationen unserer Zeitung das Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasium. Das Polizeipräsidium in Ludwigsburg macht dazu keine Angaben, hat indes bereits mitgeteilt, dass bei dem 15-Jährigen „Fluchtpläne seiner Schule“ gefunden worden seien. Darüber hinaus stellten die Ermittler im Zimmer des Jungen und im Keller der elterlichen Wohnung 300 Patronen, Dolche, Messer und Chemikalien sicher.

Der Teenager hat sich jetzt freiwillig in eine Jugendpsychiatrie einweisen lassen

Wie der 15-Jährige diese beschafft hat, ist unklar. Die Eltern besaßen laut der Polizei keine Waffen und waren nach der Wohnungsdurchsuchung „vollkommen überrascht“. Die Chemikalien seien legal zu kaufen gewesen, teils handle es sich um Düngemittel, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn. Aber in der dort gefundenen Kombination lasse sich daraus Sprengstoff herstellen. Der Jugendliche stamme aus einer normalen Familie und sei vorher nie polizeilich in Erscheinung getreten.

Weil keine Fluchtgefahr bestehe, wurde kein Haftbefehl erlassen, der Junge hat sich jetzt freiwillig in eine Jugendpsychiatrie einweisen lassen. Am Donnerstag wurde er erneut verhört, über die Inhalte ist nichts bekannt. In einer ersten Vernehmung kurz nach seiner vorläufigen Festnahme hatte er eingeräumt, dass er sich wegen persönlicher und schulischer Probleme eine zeitlang mit einer Amoktat auseindergesetzt, sich davon aber wieder distanziert habe.

Im Internet werden obskure Gerüchte gestreut

Wie glaubwürdig das ist, müssen die Ermittler klären. Es gebe keine Hinweise, dass der 15-Jährige „mögliche Amokpläne aktuell in die Tat umsetzen wollte“, so Widenhorn. „Aber es gab natürlich eine Gefährdungslage – das muss man so sagen.“ Schließlich könne niemand vorhersehen, wie „schnell ein offensichtlich labiler Jugendlicher umkippt“, der sich gedanklich in diese Richtung bewege. Die Gerlinger Schule äußert sich nicht zu dem Thema. Im Internet, unter anderem in Schülergruppen, wird intensiv über die Hintergründe debattiert, auch ein Facebookprofil ist aufgetaucht, das dem 15-Jährigen zuzurechnen sein könnte. Sicher ist jedoch nur, dass der Inhaber menschenverachtende Ansichten vertritt, offene Sympathie für Attentäter hegt und Mitglied einer Gruppe ist, deren Mitglieder sich darüber austauschen, wie sich aus Dünger Chemikalien zum Bombenbau gewinnen lassen.

Auf die Spur des 15-Jährigen waren die Ermittler dank des Hinweises eines Mannes aus Berlin gelangt – und auf einer anderen Internet-Diskussionsplattform brüstet sich derzeit ein Nutzer unter Pseudonym, er sei derjenige, der den Amoklauf im Kreis Ludwigsburg verhindert habe. Der Unbekannte schildert, wie er am Montag auf ein merkwürdiges Instagram-Profil gestoßen sei, auf dem ein Jugendlicher Fotos von Waffen, selbst gebastelten Bomben und Amokläufern hochgeladen habe, versehen mit Sprüchen wie: „In Society nobody detects my psychopathy“, wobei das S in Form einer Rune geschrieben gewesen sei. Auch soll der Instagram-Waffennarr kurz nach dem Amoklauf, bei dem am vergangenen Freitag in München neun Menschen erschossen wurden, geschrieben haben: „I knew David S. in Munich.“ David S. war der Name des Attentäters.

Nach dem Amoklauf in München sei die Bevölkerung sensibilisiert, sagt die Polizei

Der anonyme Schreiber wird im Netz als Held gefeiert, aber ob es sich tatsächlich um den Berliner handelt, der dem LKA den so wichtigen Hinweis gab, und ob das von ihm beschriebene Instagram-Profil dem jungen Gerlinger gehörte, ist ebenfalls ungewiss. Die Polizei mahnt, alle Angaben im Netz mit Vorsicht zu behandeln.

So äußern etwa einige Kommentatoren auf Facebook den Verdacht, der 15-Jährige sei kein potenzieller Amokläufer, sondern ein islamistischer Terrorist – ungeachtet dessen, dass die Staatsanwaltschaft schon am Mittwoch betont hat, dass der Jugendliche keinen Migrationshintergrund habe. Auch kursiert ein Gerücht, der Gerlinger habe bei seiner Festnahme ein Killerspiel gespielt, und auf dem Bildschirm sei dabei ein Foto seiner Schule zu sehen gewesen. „Das stimmt nicht“, sagt Widenhorn. Richtig sei, dass der 15-Jährige regelmäßig Egoshooter wie Counterstrike oder indizierte Killerspiele gespielt habe, und es sei zutreffend, dass er im Internet in Kontakt mit dem Münchner Amokläufer stand. Über die Chats machen die Beamten keine Angaben, sie werden vom bayerischen Landeskriminalamt untersucht. Darüber hinaus ermittelt die Polizei gegen den 15-Jährigen wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Generell, so Widenhorn, sei die Bevölkerung seit der Tat in München sensibilisiert in Bezug auf Gewalttaten und Anschläge. Die Zahl der Hinweise habe deutlich zugenommen. Das sei zwar manchmal schwer abzuarbeiten, aber: „Wir sind froh über jeden Anruf.“