Juristischer Eiertanz: Eigentlich muss in der Nacht zum Sonntag ab 3 Uhr die Tanzfläche leer sein – aber viele Clubs halten sich nicht daran Foto: dpa

Vom strengen Tanzverbot an Feiertagen zeigt sich sogar Ministerpräsident Kretschmann überrascht. Die spannende Frage ist, inwieweit der bekennende Katholik nun Lockerungen zulässt.

Stuttgart - Als religiöser Mensch ist Winfried Kretschmann in seiner eigenen Partei auf der Hut. „Wenn ich nicht aufpasse“, so sagte er unlängst auf einer Tagung der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Verhältnis von Kirche und Staat, „fasst meine Partei immer laizistische Beschlüsse“.

Als hätte er’s geahnt, erbrachten die Grünen am vorletzten Wochenende dafür den Beweis. Auf ihrem Parteitag in Esslingen forderten sie, „das bestehende Feiertagsgesetz durch ein zeitgemäßes zu ersetzen“. Zwar wurde der ursprüngliche Antrag, das Tanzverbot komplett zu kippen, abgeschwächt – die Arbeitsgemeinschaft der Christen hatte sich heftig gewehrt. Doch der Kompromiss, „die Tage mit Veranstaltungs- und Tanzverboten auf einige wenige zu reduzieren“ , fand eine große Mehrheit.

Als Zielmarke wird in dem Beschluss eine „niedrige einstellige Zahl“ genannt. Bislang ist der Schutzzaun um die Feiertage erheblich höher: An insgesamt 18 Tagen gilt ein mehr oder weniger scharfes Tanzverbot – von Neujahr bis zum 2. Weihnachtsfeiertag.

Sonntags ist Tanzen tabu

Im November zum Beispiel ist das Tanzen an Allerheiligen, am Volkstrauertag, am Buß- und Bettag sowie am Totensonntag von 3 bis 24 Uhr untersagt. An gewöhnlichen Sonntagen ist das Tanzen grundsätzlich von 3 bis 11 Uhr tabu. Kretschmann:„Ich war selbst überrascht, an wie vielen Tagen ein formelles Tanzverbot gilt.“

Mit Interesse wird im Landtag verfolgt, wie der bekennende Katholik mit dem heiklen Thema umgeht. „Das wird in den ständigen Dialogprozess mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften eingespeist“, sagt Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Es gebe schließlich regelmäßige Treffen. Reformimpulse für das Feiertagsrecht werden aber wohl vor allem die beiden Regierungsfraktionen liefern. „Es geht um die Neuregelung der Feiertage insgesamt“, sagte der kirchenpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Wilhelm Halder, unserer Zeitung.

Dabei solle etwa überlegt werden, in wie weit man auch Religionsgemeinschaften wie die Juden einbezieht. Auch der kirchenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Reusch-Frey, hält die Diskussion über die Reform des Feiertagsrechts für notwendig. „Die Zahl der Tanzverbote ist in Baden-Württemberg schon sehr hoch“, sagt der evangelische Pfarrer. Dass zum Beispiel in der Silvesternacht nur bis 3 Uhr am Morgen getanzt werden dürfe, sei nicht nachvollziehbar. Zwar will Reusch-Frey den Kernbestand des Feiertagsschutzes nicht antasten und sagt: „Man braucht auch stille Tage.“ Dennoch sieht er „Handlungsbedarf“.

Gastronomie drängt auf Neuordnung

Er plädiert aber dafür, eine Reform fraktionsübergreifend anzugehen. In wieweit die Opposition dabei mitzieht, ist noch völlig offen. Man wolle zunächst einmal die Vorschläge abwarten und sich dann eine Meinung bilden, so ein Sprecher der CDU-Fraktion. An Spekulationen beteilige man sich nicht. Auch bei den Liberalen ist das Thema noch nicht aufgeschlagen. „Wir werden uns einer Reform aber nicht von vornherein verschließen“, sagt Fraktionsvize Jochen Haußmann.

Die Gastronomiebranche drängt allerdings schon seit längerem auf eine Neuordnung. „Manche Betriebe bewegen sich in der Illegalität“, sagt der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Daniel Ohl. Viele Clubs öffneten erst um Mitternacht, hätten dann aber bis 5 Uhr Betrieb. Das Bußgeld bei Verstößen betrage immerhin rund 1600 Euro. Der Dehoga stelle den Sonn- und Feiertagsschutz zwar nicht grundsätzlich infrage, das Verbot gehe aber zu weit. Ohl: „Bisher haben sich die Kirchen allerdings 0,0 bewegt.“

Die Gespräche, das zeigen erste Reaktionen der Kirchen, dürften in der Tat nicht einfach werden. So erklärte ein Sprecher der Evangelischen Landeskirche Württemberg: „Wir sehen hier keinen Handlungsbedarf.“