Pilzesammeln ist gar nicht so einfach, wie man denkt, denn im Wald lauern unzählige Verwechslungsgefahren. Foto: dpa

Pilzesammeln liegt im Trend, behauptet die Pilzsachverständige Anja Schneider. Im Interview erklärt sie, wo man in Stuttgart und Region am besten sammeln kann, welche Verwechslungefahren bestehen und warum Pilzbücher und -apps meist keine große Hilfe sind.

Stuttgart - Der Herbst ist in vollem Gange und damit auch die Pilzsaison. Während sich einst nur ältere Jäger und Sammler in die Wälder begaben, um Pilze zu sammeln, scheint gerade das ein Trend vor allem auch bei Jüngeren zu sein. Was es beim Sammeln, Lagern und zubereiten zu beachten gilt, weiß Anja Schneider. Sie ist Pilzsachverständige, arbeitet im Naturkundemuseum in Karlsruhe und ist Vorsitzende des Vereins der Pilzfreunde Stuttgart e. V..

Frau Schneider, ist Pilzesammeln nicht nur etwas für Ältere?
Früher war das vielleicht so, inzwischen hat sich das aber gewandelt. Die aktiven Mitglieder unseres Vereins sind meist zwischen 30 und 80 Jahren. Generell beobachten wir, dass das Interesse an Pilzen in den vergangenen Jahren gestiegen ist und die Mitglieder wieder jünger werden.
Woran machen Sie diesen Trend aus?
Zum einen hängt das davon ab, dass sich die Leute rückbesinnen auf ihre eigene Kindheit, als sie mit den Großeltern Pilze sammeln waren und dies jetzt ihren Kindern mitgeben wollen. Zum anderen ist das Interesse an ökologischen Zusammenhängen wieder gestiegen. Für viele sind Pilze sehr faszinierende Organismen. Ein weiterer Aspekt ist eine Ergänzung des Speiseplans durch Pilze und die Vorstellung, sich zum Beispiel mit vegetarischer Ernährung natürlicher ernähren zu wollen.
Was muss man als Laie beim Pilzesammeln beachten?
Ganz sinnvoll ist es, dass man sich bei den ersten Malen jemandem anschließt, der gute Pilzkenntnisse hat. Dazu eignet sich zum Beispiel eine Pilzführung. Allein in den Wald zu gehen und Pilze zu sammeln, ist grob fahrlässig und kann im schlimmsten Fall tödlich enden. Gerade für Anfänger ist es sehr schwer, Pilze voneinander zu unterscheiden. Wer schon etwas erfahrener ist und allein in den Wald geht, sollte sich anfangs an Röhrlinge halten und sich die Pilze nach dem Sammeln von einem Sachverständigen bestätigen lassen.
Aber einige Pilze, wie zum Beispiel den Champignon, kann man doch problemlos erkennen oder?
Im Gegenteil. Gerade bei den Champignons sollte man sehr vorsichtig sein. Es gibt auch giftige Champignonarten wie den Karbolegerling. Er unterscheidet sich durch eine chromgelb verfärbende Stielbasis und einen Geruch wie Heftpflaster oder Karbol. Außerdem besteht vor allem am Waldrand eine hohe Verwechslungsgefahr mit dem tödlich giftigen, grünen Knollenblätterpilz. Dieser besitzt im Gegensatz zum Champignon weiße Lamellen und eine sackartige Scheide.
Lässt sich solchen Verwechslungen nicht mithilfe von Pilzbücher und -apps vorbeugen?
Irgendwann werden die Apps ihre Berechtigung haben, momentan sind sie aber eher Ergänzung zu einem guten Pilzbuch. Und auch das beinhaltet meist nur 350 von etwa 3000 Pilzarten, die es in Deutschland gibt. Darüber hinaus besteht bei Büchern und Apps immer die Gefahr, dass der Sammler die Pilze nur anhand von Bildern vergleicht. Viele Merkmale bleiben da außen vor.
Auf welche Merkmale muss man denn achten?
Wichtig ist die Gesamtheit aller Merkmale eines Pilzes, wie zum Beispiel Geruch, Farbe des Pilzes und Oberfläche, Rand, Form und Größe des Hutes. Bestimmtungshilfen sind aber auch Jahreszeit und der Ort, an dem man die Pilze gefunden hat.
Wie gehe ich vor, wenn ich im Wald einen Pilz gefunden habe, den ich gerne mitnehmen würde?
Speisepilze, die man sicher kennt, darf man gerne abschneiden und schon im Wald mit einem Messer putzen. Pilze, die man jedoch nicht kennt, sollte man vorsichtig herausdrehen. Das ist wichtig, damit die relevanten Bestimmmerkmale erhalten bleiben. Pilze sollte man erst zubereiten, wenn man sie eindeutig bestimmt hat. Das erfordert Geduld und Übung.
Darf man denn alle Pilze sammeln?
Nein, das Sammeln in Naturschutzgebieten, wie zum Beispiel am Bärensee, Naturdenkmalen und Nationalparks ist verboten. Eingezäunte Flächen und Privatgrundstücke sollte man natürlich auch meiden, ebenso das Sammeln in der Dämmerung und nachts.
Wo kann man in Stuttgart und Region am besten sammeln?
Eigentlich kann man fast überall Pilze sammeln. In Stuttgart und Region eignen sich vor allem die Wälder in Richtung Schönbuch, Botnang, Weilimdorf, Büsnau und Ostfildern, aber auch der Schurwald, der Nordschwarzwald oder große Parkanlagen.
Welche Jahreszeit eignet sich besonders?
Die Hauptpilzsaison beginnt meist schon im Juni mit den Sommersteinpilzen und endet im Winter beim ersten Frost mit den Trompetenpfifferlingen. Ist der Winter mild, kann man durchaus auch im Dezember noch Pilze sammeln. Allerdings sollte man im Winter darauf achten, keine gefrorenen Pilze mitzunehmen, denn bei solchen kann man nur schwer sagen, wie lange sie schon im Wald stehen. Die Gefahr einer Lebensmittelvergiftung ist da besonders groß.
Wie transportiere ich die Pilze nach Hause und vor allem: wie lagere ich sie?
Man sollte Pilze niemals in einer Plastiktüte oder in einer anderen luftdichten Verpackung transportieren, da sie sonst schwitzen und dadurch schneller verderben. Es eignet sich daher ein luftiges Gefäß wie ein Korb. Man sollte darauf achten, die Pilze nicht zu lange im Auto zu behalten, da sie sonst überhitzen können. Zuhause sollte man sie schnell ausbreiten und in etwa wie Fisch behandeln. Das heißt: Im Kühlschrank kann man sie – abhängig von der Pilzart – etwa zwei Tage aufbewahren. Bei der Zubereitung ist es wichtig, dass die Pilze richtig durchgegart werden, da viele roh giftig sind. Durchaus kann man sie blanchiert einfrieren, einmachen oder trocknen.
Verraten Sie uns noch eines Ihrer Lieblingspilzrezepte?
Sehr lecker und einfach zuzubereiten ist eine Pilzbutter oder auch eine Pilzsahnesauce. Für die Sauce nimmt man zwei Eßlöffel getrocknete und gemahlene Pilze und gibt sie in 250 Milliliter Sahne. Das Ganze kocht man gemeinsam mit Suppenbrühwürfel auf und schmeckt es mit Petersilie ab. Die Sauce passt ausgezeichnet zu Spaghetti. Für die Pilzbutter nimmt man getrocknete oder frische Pilze, dünstet sie mit Zwiebel und Knoblauch in der Pfanne an, schmeckt sie mit Gewürzen ab und lässt das Ganze abkühlen. Anschließend rührt man die restliche Butter unter und geht mit dem Passierstab durch die Masse. Die Butter sieht am Ende ein wenig aus wie Leberwurst, ist aber sehr schmackhaft.