Miriam Leitner steht auf Gentlemen im Stile Cary Grants. Foto: Kathrin Wesely

Liebe kommt, Liebe geht – diese aber blieb. Und deshalb hat sie einen Ehrenplatz erhalten: Auf der Wade von Miriam Leitner aus dem Stuttgarter Süden prangt der schöne Cary Grant.

S-Süd - Miriam Leitner ist stets in Begleitung eines der attraktivsten und charmantesten Männer, die die Welt je sah. Dass er längst tot ist, stört sie wenig. Wichtiger ist, dass er ihr die Treue halten und gemeinsam mit ihr altern wird, denn die 43-Jährige hat sich Cary Grant auf die Wade tätowiert. Augenblicklich gönnt sie ihm ein bisschen Abendsonne, weil sie noch auf der Treppe vor ihrem Bodypiercing-Studio „Monster Mash“ an der Böblinger Straße hockt und eine Feierabendzigarette raucht. Ob sich der erfolgsverwöhnte Hollywoodschauspieler in dieser Umgebung wohlgefühlt hätte?

Schwarz-weiß-Tattoos von verblichenen Stars sieht man nicht allzu häufig. Am ehesten erspäht man mal jemand, der Marilyn Monroe auf dem Arm trägt, Audrey Hepburn oder Elvis Presley. „Cary Grant ist eben in jeder Hinsicht was Besonders“, sagt Leitner. Die Eleganz und Höflichkeit des gebürtigen Briten habe bei ihr sofort Eindruck gemacht. Sie sei „halt eher so der altbackene Typ“, gibt die Stuttgarterin Auskunft. Darauf wäre man von alleine eher nicht gekommen, angesichts der Tattoos und Piercings, mit denen sich Miriam Leitner dekoriert hat. „Er ist smart, er hat Charisma und er ist ein richtiger Mann – nicht so wie die Duttträger von heute!“, sagt Leitner mit einem wehmütigen Timbre wie Bernhard Grzimek, wenn er von einer aussterbenden Art berichtet.

Spitze gegen Duttträger

Ihre Leidenschaft für den 1904 in Bristol geborenen Star entbrannte im Alter von zwölf Jahren, als sie Frank Capras Filmklassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“ das erste Mal sah. Drei Jahrzehnte hat Leitners Liebe nun schon vorgehalten. Der Zuneigung mag zuträglich gewesen sein, dass es niemals leidige Auseinandersetzungen übers Kochen, Putzen oder das nächste Urlaubsziel gab, dass ihm nie die Hutschnur riss und sie nie die beleidigte Leberwurst zu spielen brauchte. All die Jahre gab der schöne Cary Grant klaglos die perfekte Projektionsfläche für alle ihre Wünsche ab. In Echt gibt es Stefan Kunz, mit dem Miriam Leitner das „Monster Mash“ betreibt, wo es neben allerhand Körperschmuck auch Mode und Nippes zu kaufen gibt und wo Miriam Leitner gleich eine Kundin vertrösten muss: „Die Wackel-Zombies kriegt ihr nicht mehr rein, oder?“

Größer könnte der ästhetische Spagat kaum sein – hier der akkurat gescheitelte Anzugträger, dort das morbide Punkdesign. Miriam Leitner, die Piercings schießt und eigentlich gelernte Reisekauffrau ist, stammt aus einer Künstlerfamilie. Die Mutter ist die frühere Opernsängerin Ruth-Margret Pütz, der Großvater der Dirigent Ferdinand Leitner. „Ich habe als Kind im Kostümfundus herumgewühlt. Ich mochte diesen modrigen Geruch, den Theatergeruch.“ Sie erinnert sich, wie überwältigt sie war, wenn sie ihre Mutter auf der Bühne erlebte. „Ich weiß noch, dass ich bei der Zauberflöte im Publikum saß und jedem sagte: Schauen Sie, das ist meine Mutter! Sie spielte die Pamina und trug ein blaues Kleid. Sie war so schön!“ Als Teenager bewegte sich Leitner in der Gothic-Szene. „Damals in der 80ern waren das Edelpunks in selbst genähten Kleidern, mit Spitzen, Corsagen, toupierten Haaren. Wir haben uns auf Friedhöfen getroffen und Gedichte vorgelesen.“ Sie hatte die bewunderten Theaterkostüme ihrer Kindheit in Schwarz getaucht. Antikisierend – oder „altbacken“ waren aber auch sie. So zieht sich eine feine ästhetische Spur bis heute.

Ende der Einzelhaltung

Es war eine Herausforderung, denjenigen zu finden, „der meinen Cary stechen darf“, berichtet Leitner. Sie durchstreifte das Internet auf der Suche nach einem geeigneten Tätowierer. In Rangoon, Myanmar, wurde sie schließlich fündig. Zarni hat sich auf Schwarz-weiß-Porträts spezialisiert und präsentiert seine Arbeiten auf Facebook. Leitner reiste nach Asien – nicht nur wegen des Tattoos, es gab vor Ort auch politische Kontakte zur initiative „Food not bombs“. Von Zarnis Werk ist sie bis heute begeistert. „Ist ein ganz junger Typ und tätowiert erst seit drei Jahren, aber er ist ein wahrer Meister!“ Eine Google-Recherche offenbart, dass die Sache mit einem weniger talentierten Stecher auch anders hätte ausgehen können. Die Bildersuche offeriert ganze Geisterbahnbesatzungen in Gestalt von Marilyn und Elvis.

Langfristig denkt Miriam Leitner über eine weibliche Begleitung für Cary nach. Doris Day käme in Frage. Auf dem zweiten Bein ließe sich sicher noch ein Plätzchen finden. Cary Grant, der fünfmal verheiratet war, sagte über seine verflossenen Gattinnen: „Sie sind mir alle weggelaufen. Vielleicht hatten sie sich einfach gelangweilt.“ Möglich, dass auch Doris Day sich mit ihm langweilt. Trotzdem wird sie dann stets dorthin gehen, wo auch er hingeht.