Isoliert im VW-Konzern: Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula ziehen sich aus allen Ämtern zurück Foto: dpa

Er hat alles auf eine Karte gesetzt – und verloren. Die Machtbesessenheit von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist ihm letztlich zum Verhängnis geworden. Wie es im Konzern weitergeht, ist offen.

Wolfsburg - Bis zuletzt hat Ferdinand Piëch alles versucht. In der vergangenen Woche reiste er nach Stuttgart, um seinen Cousin Wolfgang Porsche doch noch auf seine Seite zu ziehen. Porsche-Chef Matthias Müller soll er bei dieser Gelegenheit gesagt haben, er müsse bereitstehen für den Fall der Fälle.

Stur und unbelehrbar hielt er an seinem Ziel fest, VW-Chef Martin Winterkorn aus dem Amt zu drängen – und raste mit Vollgas auf eine Wand zu. Getreu dem Motto, das er einmal in seiner Autobiografie aus dem Jahr 2002 beschrieb: „Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf ein Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet.“

Tatsächlich ist Piëch am Ende ziemlich allein, als es am Samstag am Braunschweiger Flughafen zum Showdown kommt. Stundenlang wird dort um Lösungen gerungen, wo es längst nur noch eine gab.

Der engere Zirkel des Aufsichtsrats stellt sich geschlossen gegen den Firmen-Patriarch hat: Betriebsratschef Bernd Osterloh, Volkswagen-Miteigentümer Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil als Vertreter des 20-Prozent-Anteils des Landes sowie der Gewerkschafter Berthold Huber als Stellvertreter Piëchs.

"Wechselseitiges Vertrauen nicht mehr gegeben"

„Die Mitglieder des Präsidiums haben einvernehmlich festgestellt, dass vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen das für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist“, heißt es in einer Erklärung, die am Abend des 25. April an die Medien versendet wird. Der 78-jährige Firmenpatriarch legt sein Amt nieder. Seine Frau Ursula, die ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, tut es ihm gleich.

Mit seiner beispiellosen Kampagne, die mit einem Zitat im „Spiegel“ („Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“) vor gut zwei Wochen ihren Anfang nahm, ist der Firmenpatriarch zu weit gegangen. Übel genommen haben ihm die Aufsichtsratskollegen vor allem, dass er nach der ersten Präsidiumssitzung in Salzburg hinter den Kulissen weiter sein machiavellistisches Machtspiel trieb, obwohl das Gremium Winterkorn den Rücken gestärkt hatte.

Das anschließende Dementi, das Piëch wieder über ausgewählte Medien verbreitete, wirkte am Ende nur noch hohl. „Wir haben uns letzte Woche ausgesprochen. Und uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Ich betreibe die Ablösung von Martin Winterkorn nicht.“ Da klingt bereits Verzweiflung mit – so, als hätte Piëch geahnt, dass er den Kampf um die Macht das erste Mal in seinem Leben verlieren würde.

Das unrühmliche Ende einer Karriere

Mit Piëchs Abgang endet die Karriere eines der größten deutschen Industriemanager auf unrühmliche Weise. Die Würdigungen fallen knapp aus: Er sei eine herausragende Person der deutschen Wirtschaftsgeschichte, sagt Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Sein Cousin Wolfgang Porsche dankt Piëch für „die Jahrzehnte seines außergewöhnlichen und erfolgreichen Einsatzes für den Volkswagen-Konzern. Und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärt: „Ich habe größten Respekt vor der Lebensleistung von Professor Ferdinand Piëch.“

Wie kein anderer verkörperte Piëchs den Aufstieg des Volkswagenkonzerns an die Weltspitze. Im Jahr 1963 startet der Maschinenbauer und Enkel des VW-Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche seine Laufbahn bei Porsche. Knapp zehn Jahre später wechselt er zu Audi. Schon früh heißt es, er sei ein leidenschaftlicher Autonarr und habe „Benzin im Blut“. 1988 wird er Chef der Ingolstädter VW-Tochter und legt den Grundstein für den Aufstieg Audis in die Oberklasse.

Inmitten einer schweren Krise kommt Piëch 1993 nach Wolfsburg an die VW-Konzernspitze. Der Autobauer gilt damals als Übernahme-Kandidat. Piëch schafft es, den schwerfälligen Konzern wieder auf Kurs zu bringen – und den Abbau von Jobs zuvermeiden. Entwicklungen wie das Ein-Liter-Auto oder der Super-Sportwagen Bugatti Veyron werden oft in einem Atemzug mit Piëch genannt. 2002 wechselt er an dieAufsichtsratsspitze des Volkswagen-Konzerns.

Als Manager brutal und rücksichtslos gefürchtet

Privat soll Piëch ein herzensguter Familienmensch sein. Als oberster Manager eines Unternehmens ist er jedoch als brutal und rücksichtslos gefürchtet. Wohl ein halbes Dutzend Top-Manager hat er aus dem Weg geräumt. Der ehemalige BMW-Chef Bernd Pischetsrieder, den er als Nachfolger für den Vorstandsposten nach Wolfsburg holte, kann ein Lied davon singen.

Ebenso wie Wendelin Wiedeking, der im Jahr 2008 nach der Macht in Wolfsburg strebte und am Ende in Schimpf und Schande vom Hof gejagt wurde. VW übernimmt nach monatelangem Tauziehen das Ruder bei dem Sportwagenbauer aus Stuttgart. Piëch gilt in der Übernahmeschlacht als wichtiger Strippenzieher. Meist genügt ein dürrer Satz in der Öffentlichkeit von ihm, um eine Karriere abrupt zu beenden.

Damit ist jetzt Schluss. Und mit Piëchs Abgang ändert sich auch die Familienkonstellation. Zwar besitzt die Familie über die Porsche SE noch immer rund ein Viertel der Stammaktien von VW.

Offen ist, wie es im VW-Konzern weitergeht

Doch eine direkte Einflussnahme wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben. Die muss Piëch nun seinem Cousin Wolfgang Porsche überlassen, der oft im Schatten des übermächtigen und skrupellosen Verwandten stand. Mit seiner Waldorf-Erziehung gilt Wolfgang Porsche als deutlich konzilianter und kompromissfähiger als Piëch, der seine Jugend in einem Internat verbrachte.

Offen ist, wie es im VW-Konzern mit seinen rund 600 000 Beschäftigten jetzt weitergeht. Der ehemalige IG-Metall-Chef und Aufsichtsrats-Vize Berthold Huber hat nun die Aufgabe, im Einvernehmen mit den anderen Präsidiumsmitgliedern einen Nachfolger für die Spitze des Kontrollgremiums zu suchen.

Wolfgang Porsche käme dafür theoretisch in Frage. Der 71-Jährige ist Chef des Aufsichtsrats der Porsche SE, bräuchte für einen Wechsel nach Wolfsburg aber die Unterstützung von Piëch. Nach den vergangenen Wochen, in denen Wolfgang Porsche sich klar gegen Piëch positioniert hat, dürfte dies ausgeschlossen sein.

Wahrscheinlicher ist daher, dass Huber den Vorsitz im Aufsichtsrat auch nach der Hauptversammlung am 5. Mai für eine Übergangszeit behält. Später könnte er dann Platz machen für Winterkorn – so wie es vor dem ganzen Streit einmal vorgesehen war. Es wäre dann die zweite Niederlage des Ferdinand Piëch.