Mechanik der Geschlechterbeziehungen: Rebecca von Lipinski und Shigeo Ishino in „Reigen“ Foto: dpa

In Anwesenheit des belgischen Komponisten Philippe Boesmans hat die Staatsoper Stuttgart sein Musiktheaterwerk „Reigen“ um verkorkste Beziehungskisten als Tragikkomödie aufgeführt. Ein großer Abend.

Stuttgart - Zeitgenössische Opern, einmal uraufgeführt, setzen sich selten an anderen Opernhäusern durch. Ausnahmen bestätigen, wie stets, die Regel, und eine dieser Ausnahmen stellt, intelligent interpretiert, Philippe Boesmans Version des „Reigen“ nach Doktor Arthur Schnitzler dar, dessen historisch verstörenden Theatertext vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sich der Regisseur Luc Bondy vor 23 Jahren in Brüssel zeitgenössisch hin arrangierte. Allerdings sind 23 Jahre auch wieder eine lange Zeit, die jetzt in Stuttgart aber gar keine Rolle mehr spielt. Wie neu nämlich, blitzgescheit gedacht erscheint das Werk in der Lesart der Regisseurin Nicola Hümpel, die mit beeindruckenden Perspektivwechseln, Witz, Gefühl und nicht nur nebensächlicher, sondern ästhetisch prägender Videoarbeit die Szene belebt.

Von B wie Bendziunaite bis P wie Pavelic ist das alles hochgradig durchdachtes Opernschauspieltheater, musikalisch en detail ausgehört vom Dirigenten Sylvain Cambreling mit dem Stuttgarter Staatsorchester. Beim finalen „Servus!“ im zehnten Bild denkt man sich erfreut, dass der Abschied hier auch immer wieder einen Anfang bedeutet. Den man gern wieder sähe/hörte. Großer Abend, beste Stimmung.