Neue Medikamente sind ein begehrtes Gut. Foto: dpa

Die Pharmakonzerne entwickeln viele neue Medikamente, aber es reicht noch nicht aus.

Frankfurt - Die 21 größten Pharmakonzerne der Welt haben derzeit rund 3770 Wirkstoffe in der Entwicklung. Das sind zwar zwölf Prozent mehr als im Vorjahr, aber immer noch nicht genug. „Die Nachfrage ist nach wie vor größer als das, was die Konzerne anbieten können“, sagte Gerd Stürz, Berater der Stuttgarter Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) bei der Vorstellung einer Studie zur Pharmabranche in Frankfurt. In den kommenden Jahren könnten die Konzerne daher auf weiteres Wachstum hoffen.

Dennoch werden die Unternehmen nach Ansicht der Berater nicht darum herum kommen, ihr internes Wachstum durch Zukäufe zu beschleunigen. „Wir werden in den nächsten Jahren eine erhebliche Zahl an Aktivitäten sehen“, sagte Stürz. 168 Milliarden Dollar (151 Milliarden Euro) gaben Pharmakonzerne im vergangenen Jahr weltweit für Fusionen und Akquisitionen aus. Das sei zwar weniger als im Jahr zuvor mit dem Rekordwert von 218 Milliarden Dollar (196 Milliarden Euro). Wäre allerdings die umgerechnet 144 Milliarden Euro schwere Übernahme des Botox-Herstellers Allergan durch den US-Branchenriesen Pfizer geglückt, wäre dieser klar übertroffen worden. Nach Einschätzung von EY wird der Markt sich künftig an der Größenordnung von 200 Milliarden Euro pro Jahr an Übernahmepotenzial gewöhnen müssen.

Vor allem die großen Pharmakonzerne müssten künftig verstärkt zukaufen. Die Unternehmen fokussierten sich immer stärker auf Gebiete, in denen sie eine Marktführerschaft anstrebten. Zudem gebe es ausreichend Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und ein breites Angebot an attraktiven Übernahmezielen. Es gehe daher nicht darum, einen finanziellen Gewinn zu erzielen, sondern mehr darum, durch den Tausch von Aktivitäten auf bestimmten Gebieten mit anderen Unternehmen das eigene Profil zu verbessern. „Wir werden beobachten können, dass die Konzerne ganze Konzernteile abstoßen oder neue hinzukaufen, um sich gezielt zu verstärken“, sagte Stürz. Dadurch könnten sie sich auf ihre Stärken besinnen. Dagegen werde der Anteil der Deals aus rein steuerlichen Gründen sinken, nachdem die USA vor kurzem ihre Gesetze verschärft hatten – woran die Übernahme von Allergan durch Pfizer scheiterte. Zuvor hatten zahlreiche Konzerne nach Großfusionen ihre Firmensitze ins Ausland verlegt, um Steuern einzusparen.

Die Gewinne sprudeln

Im vergangenen Jahr konnten die 21 größten Pharmakonzerne der Analyse zufolge Umsatz und operativen Gewinn weiter ausbauen. Der Gesamtumsatz der Großkonzerne stieg um 18,7 Prozent auf 429 Milliarden Euro. Rechnet man allerdings die Wechselkurseffekte heraus, bleibt nur ein mageres Plus von 3,7 Prozent nach 4,2 Prozent im Vorjahr. Auch beim operativen Ergebnis machte sich der Wechselkurseffekt deutlich bemerkbar. In der jeweiligen Währung verdienten die Konzerne demnach mit 147 Milliarden Euro rund 23,4 Prozent mehr, wechselkursbereinigt bleibt ein Zuwachs von 6,8 Prozent.

Vor allem der Anteil der sogenannten Blockbuster-Medikamente am Gesamtumsatz legte zu. 60 Prozent (2014: 57,7) Prozent der Erlöse wurden mit Medikamenten erzielt, die auf einen jährlichen Umsatz von mehr als eine Milliarde Dollar kommen. Das kräftigste Wachstum mit Blockbustern verzeichnete der US-Arzneimittelhersteller Gilead, der Marktführer bei Mitteln zur Behandlung von Hepatitis C und HIV ist, gefolgt von Bayer. Grundsätzlich ist dies aber nach Ansicht von EY-Experte Siegfried Bialojan durchaus ein Problem, weil dadurch auch die Abhängigkeit der Konzerne von einzelnen erfolgreichen Medikamenten steige.

Die Abhängigkeit von wenigen Medikamenten steigt

Die meisten Großunternehmen seien daher derzeit darauf bedacht, sich einerseits auf bestimmte Gebiete zu fokussieren, gleichzeitig aber auch wachsen zu wollen. Dies sei aber nur möglich, wenn man entweder andere Unternehmen zukaufe oder aber die Entwicklung von neuen Medikamenten den kleineren Bio- oder Gentechnologie-Experten überlasse. Wie etwa das Beispiel des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens Gilead zeige, habe diese schlankere Strukturen und könnten bei entsprechenden Erfolgen große Fortschritte und hohe Renditen erzielen. Langfristig allerdings sollten auch diese Unternehmen sich auf eine breitere Basis stellen, meint Bialojan.

Den größten Umsatz machen Pharmakonzerne mit Medikamenten gegen Krebs und Immunkrankheiten, gefolgt von Arzneien gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselkrankheiten. Am stärksten wuchs jedoch der Umsatz mit Medikamenten gegen Infektionskrankheiten, wozu vor allem Gilead mit seinen Hepatitis-Arzneien beitrug.

Knapp 80 Milliarden Euro brachten die Konzerne für Forschung und Entwicklung auf, gut drei Prozent mehr als im Vorjahr. Spitzenreiter war dabei der Schweizer Konzern Roche mit fast acht Milliarden Euro. Deutlich gesteigert haben die beiden deutschen Unternehmen Bayer und Boehringer Ingelheim ihre Forschungsausgaben. Insgesamt jedoch blieb der Anteil der F&E-Ausgaben gemessen am Pharma-Umsatz der 21 größten Konzerne weitgehend konstant.