Der Auktionator Hendrik Schulze Rückamp steht seit Jahren in Marbach am Pult und schwingt das Hämmerchen. Foto: Joachim Baier

Erstmals kommen nicht nur heimische Pferde unter den Hammer. Die Auktion ist ein Erfolg. Das teuerste Pferd wechselt den Besitzer für 25 000 Euro – ohne Mehrwertsteuer.

Marbach - Wo Pferde sind, da sind auch Emotionen. Wenn Hendrik Schulze Rückamp, ein bundesweit versierter Auktionator für Pferde, die dramatischen Worte „zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!“ ruft und sein edelhölzernes Hämmerchen auf das Pult niedersausen lässt, dann hört man Schreie, sieht Freudentränen, Reiter fallen sich um den Hals oder klopfen sich auf die Schultern. Manche geraten völlig aus dem Häuschen, weil ihr Traum vom neuen Pferd wahr wird.

Die große Reithalle des Haupt- und Landgestüts in Marbach auf der rauen Alb war am Samstag wieder einmal der Schauplatz dieser traditionsreichen Gestütsauktion. Ihre Anfänge reichen in die zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Altgediente Gestütswärter erinnern sich an diese Versteigerungen rund um die Klosterkirche im nahen Offenhausen, wo man die Pferde bei Schnee und Eiseskälte an der Hand vorführte. Bis zu viertausend sachkundige Zuschauer habe es damals gegeben – die „Remonten“, wie man die jungen Pferde nennt, seien vom Militär und von Bauern erworben worden – die moderne Sport- und Hobbyreiterei besteht erst seit den Zeiten des Wirtschaftswunders in den fünfziger Jahren.

Sparpolitik des Landes führt zu ungewöhnlichem Schritt

Am Samstag hat das landeseigene Haupt- und Landgestüt, dessen erste urkundliche Erwähnung auf 1514 zurückreicht, ein Experiment gewagt, das man historisch nennen darf. Bis vor einem Jahr war es ehernes Gesetz, dass in Marbach, stets im März, nur Pferde unter den Hammer kommen, die das heimische Brandzeichen tragen. Doch Astrid von Velsen-Zerweck, seit 2007 die Gestütschefin mit dem offiziellen Titel „Landoberstallmeisterin“, sagt: „Die Landespolitik und unser Ministerium haben uns eine strikte Sparpolitik auferlegt, also müssen wir Personal abbauen und Pferde. Unsere Stutenherde ist kleiner geworden, deshalb haben wir aus unserer Zucht nicht mehr so viele Pferde für die Auktion wie früher.“ Weil das auch für andere deutsche Staatsgestüte gilt, hat Marbachs „Frau Landober“, wie man sie im Fachjargon salopp nennt, aus der Not eine Tugend geformt: „Ich habe allen Kollegen in den anderen Staatsgestüten angeboten, Pferde aus deren Zucht auf die Alb zu bringen, um sie mit uns zu vermarkten.“ Ein Novum, das man in der hippologischen Fachwelt mit Spannung beobachtet.

Als Schulze Rückamp am Samstag die Auktion eröffnete, war die Gestütshalle mit gut tausend Zuschauern proppenvoll. 22 Pferde standen auf der Versteigerungsliste, zwei davon aus dem Bayerischen Staatsgestüt in Schwaiganger, unweit von Murnau, vier aus dem Niedersächsischen Landgestüt in Celle bei Hannover. Bis auf eines fanden die Pferde zu Preisen von 6000 bis 25 000 Euro neue Besitzer. Insgesamt stieg der Erlös der Auktion auf knapp 290 000 Euro. Der Durchschnittspreis pro Pferd, wichtiger Indikator in der hart umkämpften Branche, kletterte auf 13 100 Euro – so hoch wie viele Jahre nicht mehr.

Auswärtige Gestütsleiter sind begeistert

Axel Brockmann, der Landstallmeister aus Celle, zog ein Fazit voller Lob: „Ich bin meiner Marbacher Amtskollegin freundschaftlich verbunden, deshalb habe ich vier unserer jungen Pferde zur Auktion gegeben. Vom Ergebnis bin ich begeistert: Die Präsentation der Pferde war professionell, die Atmosphäre beeindruckend – man spürt hier, dass Bieter und Kunden mit dem Herzen dabei sind. In einem Jahr sind wir Hannoveraner wieder dabei, dann werde ich noch mehr junge Pferde mitbringen.“

Auch der erfahrene Auktionator Hendrik Schulze Rückamp sieht das Gestüt auf einem guten Weg: „Wir hatten Pferdeleute aus Kanada, Amerika, Frankreich, der Schweiz und Italien zu Gast. Hier finden sie 500 Jahre Pferdeverstand, das Gestüt ist mit seinem neuen Weg den anderen zwei Längen voraus.“ Die Auktion im Lautertal sei „ein klassischer Käufermarkt – unsere Reiter wissen, dass sie hier seriös und solide bedient werden: Bei uns steigern Hobby- und Sportreiter, aber auch Händler.“ Nicht von ungefähr habe er zwei Pferde nach Kanada und den USA zugeschlagen.

Das mit 25 000 Euro teuerste Pferd wurde der Schimmelwallach „Careful“ aus dem Bayerischen Staatsgestüt in Schwaiganger. Seine neuen Besitzer sind das Springreiter- und Händlerehepaar Barbara und Uli Collee aus Eberstadt bei Heilbronn. Womöglich wird man „Careful“ bald auf den großen Turnieren bestaunen können.

Geschichte und Gegenwart des Gestüts

Historie

Das Haupt- und Landgestüt im Lautertal wird im Jahr 1514 erstmals urkundlich erwähnt. Die Pferdezucht der Herzöge und Könige von Württemberg ist jedoch um einiges älter. Im Jahr 1817 lässt König Wilhelm I. das Gestüt verstaatlichen und gründet zugleich eine Araberzucht, deren 200-jähriges Bestehen in diesem Jahr gefeiert wird. Ohne die Arbeit der Marbacher Zuchten wären die Kaltblutrasse der Schwarzwälder Füchse und die Altwürttemberger ausgestorben.

Gegenwart

Heute beschäftigt das Gestüt achtzig Mitarbeiter und vierzig Auszubildende. Es gibt eine anerkannte Reit- und Fahrschule sowie internationale Turniere, Hengstparaden, Stutenprüfungen und Körungen für Hengste. Jedes Jahr besichtigen rund 300 000 Besucher das Gestüt mit seinen tausend Hektar Land, seinen Gestütshöfen in Offenhausen, St. Johann und Güterstein. In Offenhausen liegt das Gestütsmuseum, das vom 1. Mai bis zum 1. November geöffnet ist.