Peter Erb ist seit 50 Jahren bei der Heinweghilfe Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Sie fahren Betrunkene für einen Gotteslohn nach Hause. Seit 50 Jahren. Peter Erb ist von Anfang an dabei und hat in dieser Zeit knapp 10.000 Führerscheine gerettet.

Stuttgart - Stefan Effenberg hat den falschen Rummel besucht. Wäre er mit seiner Gattin Claudia bloß mal aufs Volksfest gegangen statt auf die Wiesn. Dann hätte er seinen Führerschein noch.

Anstatt sich mit 1,4 Promille hinters Steuer zu setzen, hätte er bei Peter Erb ins Büro der Heimweghilfe im Verwaltungsgebäude marschieren können, den Autoschlüssel abgeben und sich in seinem Jaguar heimkutschieren lassen können. Dem Fahrer hätte er nur die Rückfahrt mit dem Taxi spendieren müssen.

So haben es in Stuttgart seit 1965 exakt 9542 Zecher gehalten. Peter Erb (78) hat das ausgerechnet, und der ehemalige Mitarbeiter im Rechnungswesen von Mahle kennt sich aus mit Zahlen – und der bundesweit einmaligen Heimweghilfe. Ist er doch schon seit der Gründung 1965 dabei. Früher war bei weitem nicht alles besser, wer sich damals auf die Straße begab, lebte gefährlich. 1964 gab es 16 400 Verkehrstote, 450.000 Menschen wurden verletzt. Zum Vergleich: 2014 starben 3377 Menschen.

Heimweghilfe - von Verkehrsrichter mitgegründet

Verschärft wurde die Lage dadurch, dass als fahruntüchtig nur der galt, der mehr als 1,5 Promille intus hatte. Viele dieser betrunkenen Autofahrer landeten vor Verkehrsrichter Klaus Mickschick. Der sann auf Abhilfe und gründete mit Rolf Moll vom Motorsportclub Stuttgart und Wolfgang Zahn vom Württembergischen Automobilclub das Konzept der Heimweghilfe. Zumindest vom Volksfest sollte keiner mehr besoffen heimfahren.

Peter Erb fuhr damals Rallye, war Mitglied im Motorsportclub, und machte als Fahrer mit. Er war einer von 400. „Der Klaus Mickschick hat alles mobilisiert“, erinnert er sich. natürlich Leute vom Motorsportclub, Fahrlehrer, Soldaten der Bundeswehr und Gerichtsreferendare saßen auf dem Wasen und warteten auf Kundschaft. „Wir waren viel zu viel“, sagt Erb, etwa 200 Fahrten habe man im ersten Jahr gemacht. Zwischenzeitlich waren es mal 411 im Jahre 1979, mittlerweile pendelt es sich zwischen 200 und 300 Fahrten ein.

Was die Jüngeren unter uns vermutlich nicht mehr wissen, aber damals gab es ja noch keine Handys. „Da sind wir immer mit rein in die Wohnungen, man musste ja per Telefon das Taxi rufen.“ Da gab es dann wahlweise Kaffee und Kuchen – oder fliegende Teller. Erb: „Manchmal hielt mich die Gattin des Hauses für einen Saufkumpan ihres Mannes und hat erst mal geschimpft.“ Manchmal habe nur der strategische Rückzug geholfen, doch meistens sei man dann doch noch verköstigt worden, bevor das Taxi gekommen sei.

Das Handy, der moderne Glücksfall

Heutzutage hat man ein Handy. Glücklicherweise für zwei Fahrer, die vor kurzem zwei Autos mit sechs Insassen nach Freudenstadt gefahren haben. Ein Auto blieb liegen, also fuhr man mit dem intakten Fahrzeug alle nach Hause und wartete am Pannenwagen aufs Taxi. Das man mit dem Handy gerufen hatte.

Was sich früher und heute nicht geändert hat, ist die Wirkung von Alkohol aufs Gedächtnis. „Es kommt schon mal vor, dass der Fahrer sein Auto nicht mehr findet“, sagt Erb, „wir hatten sogar mal einen Kunden, der wollte sich heimfahren lassen und wir haben ewig gesucht, bis ihm einfiel, er hatte gar kein Auto dabei.“

Apropos Pannen. Unfälle habe es bisher nur zwei gegeben, erinnert sich Erb. Und zwar beide mit dem Auto von Richter Mickschick. Unverschuldet zwar, doch das Blech war verbeult. Da sprang die Versicherung bei. „Natürlich sind bei uns die Fahrer und die Autos versichert“, sagt Erb. Das kostet Geld. Das auszugehen droht. Die Heimweghilfe finanziert sich über Spenden. 2500 Euro zahlt in.Stuttgart einige tausend Euro steuern die Brauereien und die Schausteller dazu.“ Das reicht nicht mehr“, sagt Erb, „jedes Jahr legen wir tausend Euro drauf, jetzt sind unsere Rücklagen fast aufgebraucht.“

35 Fahrer hat Erb in seinem Team, sie bekommen 22 Euro am Tag, plus Kaffee und Cola fürs Wachbleiben. „Die haben alle Spaß am Autofahren“, sagt Erb. Und natürlich träumen sie alle von dem Moment, wenn ein Porsche-Fahrer ihnen den Schlüssel in die Hand drückt. Hin und wieder kommt das vor. Ein Jaguar war seines Wissens noch nie dabei. Vielleicht sollte Stefan Effenberg doch mal aufs Volksfest kommen. Er braucht die nächste Zeit sowieso eine Heimweghilfe.