Die Gruppe Oblivia aus Helsinki begeistert im Theater Rampe mit ihrer meditativen, urkomischen Performance „Nature Theatre of Oblivia“ Foto: Saara Autere

Menschen werden Bäume Steine, Pilze, Tiere – im „Nature Theatre of Oblivia“. In Theater Rampe hat die Gruppe Oblivia eine Wald-Performance abgeliefert – und zwar eine zündend komische.

Stuttgart - Nebel hüllt den Raum ein. Umfängt die fünf Performer, die auf der leeren Bühne wie angewurzelt stehen. Minutenlang. Ihre Arme erhoben, suggerieren sie mit fächelnden Bewegungen: Wir sind Bäume. So beginnt die finnische Performance „Nature Theatre of Oblivia“ in der Regie von Marina Andersson-Rahikka und Jenny Nordlund im Theater Rampe. Die Inszenierung ist Teil von „Téchné“, einer Produktionsplattform der Rampe und des Künstlerhauses Stuttgart, auf der Theaterschaffende, Architekten und Anthropologen sich mit der der produktiven Kraft zum künstlerischen Weitermachen in einer technologisch aufgeladenen Welt befassen.

Minutenlang stehen Mikko Bredenberg, Alice Ferl, Timo Fredriksson, Anna-Maija Terävä und Annika Tudeer in Alltagskleidung – Kostümbildnerin Anni Konttinen hat nur wenig grüne Farbe verwendet – und erzeugen mit stiller Magie die Transformation von Mensch zu Baum. Erste, zarte Vogelstimmen suggerieren: Der Wald erwacht. Deckenlichtspots erzeugen Streulicht, fächerförmig hellt es das Bühnendunkel auf. Und neue Transformationen vollziehen sich: Aus Bäumen werden Steine, Pilze, Tiere. Mit zugekniffenen Augen, ruckartige Wendungen des Halses und dunklen „Hu“- Rufen stellt sich eine Eule vor. In die Hocke gehend, mit dem Hintern wackelnd, den Unterkiefer vorgeschoben und mit den Lippen mümmelnd, mutiert ein Baum zum Hasen, hoppelt mit breiten Beinen und auf leisen Sohlen.

Man glaubt, man sei im Wald

Tiefe Brummtöne erzeugend, quetscht ein Performer seinen Kopf auf den Bühnenboden. Ist er eine Hummel, saugt er Nektar? Die Gruppe Oblivia aus Helsinki nutzt pures Körpertheater, braucht keine Masken und Verkleidungen, um dem Zuschauer glaubhaft zu machen, er sei im finnischen Wald. Das ist so idealisiert wie urkomisch und ein bisschen mythisch auch.

Nicht jede Bewegung erklärt sich selbst. Doch wer sich einlässt auf die Sprache von Oblivia, verfängt sich gern in den Fallstricken der Fantasie. Die Existenz des Menschen reduziert sich auf sehr ferne Flugzeuggeräusche. Bis die Jogger in den Wald einbrechen, aufgesetzt lächelnd, die Stille mit maschinenartigen Unterarmbewegungen und hörbar ausgestoßenem Atem zerschneidend. Der Wald verkommt zur Kulisse ihres Tuns, verliert seinen Wert als lebender Organismus. Doch schon belebt ein Rudel Rehe den Raum. Apart trippeln sie auf Zehenspitzen, schauen scheu und erschreckt, vollführen eine groteske Choreografie. Der begeisterte Beifall gilt später auch dem Moment, in dem die Finnen aus Keckern, Schnalzen, Kichern zu einem wohlklingenden Chorus finden, einer Klanginstallation aus menschlichen Stimmen.

Weitere Vorstellungen: 27. und 28. Juni