Selbst sportliche Modelle gibt es als Elekro-Version, wie dieses Exemplar, das Reiner Mühlbauer vorführt. Foto: Daniel Gläßer

Elektrofahrräder sind auf der Überholspur. Für die Räder interessieren sich vor allem ältere Menschen, aber auch verkehrsgeplagte Berufspendler sowie Sport-Radler. Wir haben getestet, was ihren Reiz ausmacht.

Stuttgart-Zuffenhausen - Morgens in Zuffenhausen-Frauensteg: Dicht an dicht bewegen sich die Autos langsam die Zabergäustraße hoch in Richtung Porsche-Platz. Obwohl es bereits 10 Uhr ist, scheint der Berufsverkehr noch immer nicht versiegt. Ich trete in die Pedale, mit einem leisen Summen bedeutet mir der Elektromotor, dass er mich verstanden hat. Auf der Radspur, mit 25 Stundenkilometern, überquere ich den Hang, lasse die blecherne Warteschlange hinter mir und biege rechts ab in die Maulbronner Straße. Ein kurzer Griff an die Stirn: Weder der lästige Stop-and-go-Verkehr noch der bergige Anstieg haben mich einen Tropfen Schweiß gekostet. Elektrofahrrad sei Dank. Nach weiteren 100 Metern stehe ich dort, wo ich meine Probefahrt begonnen habe: dem Fahrradgeschäft „Rad & Tat“. Geschäftsführer Reiner Mühlbauer erwartet mich bereits mit einem erwartungsvollen Grinsen: „Hat es Spaß gemacht?“

Reiner Mühlbauer ist einer von mehreren Fahrradhändlern im Stuttgarter Norden, die sogenannte Pedelecs verkaufen: Elektrofahrräder mit limitierter Tretunterstützung. Mühlbauer sagt: „Dem E-Bike gehört die Zukunft, es vergrößert die Mobilität gerade hier in Stuttgart ungemein.“ Inzwischen ist jedes dritte Fahrrad, das er verkauft, ein E-Bike.

„Es ist für jeden etwas dabei“

Tatsächlich floriert der Markt: Einer Erhebung des Auto Clubs Europa (ACE) zufolge sind derzeit etwa 1,3 Millionen Pedelecs auf Deutschlands Straßen unterwegs. Ihre Zahl hat sich von 2010 bis 2012 im Vergleich zu den Jahren 2007 bis 2009 mehr als verdreifacht. Allein vergangenes Jahr konnten 380.000 Pedelecs abgesetzt werden. Für die tretunterstützenden Räder interessieren sich laut Mühlbauer vor allem ältere Menschen, die nicht mehr die Muskelkraft haben, im bergigen Stuttgart spazieren zu radeln, aber auch verkehrsgeplagte Berufspendler sowie Sport-Radler. 15 verschiedene E-Bikes hat er zur Auswahl: vom elektrounterstützten Mountainbike über das legere Damenrad bis hin zur Speed-Version, dem sogenannten S-Pedelec, das mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 45 Stundenkilometern jedoch bereits einen Mofa-Führerschein verlangt: „Es ist für jeden etwas dabei.“ Die Preise für die Elektro-Flitzer liegen zwischen 2000 und 3000 Euro. Doch der Preis allein sagt noch nichts aus. So hat die Stiftung Warentest vor kurzem 16 Elektrofahrräder getestet, neun fielen durch. Selbst bei Rädern für deutlich mehr als 2000 Euro kam es zu Rahmenbruch und Bremsversagen. Getestet wurden Räder mit einem tiefen Durchstieg und V-Brakes, Bremsen, die mit Seilzug ausgestattet sind. Eine Beratung im Fachgeschäft ist also zu empfehlen.

Äußerlich unterscheiden sich die Pedelecs kaum von nicht-elektronischen Fahrrädern. Mühlbauer präsentiert ein graues E-Mountainbike. In einem weißen Plastikgehäuse am Fahrradrahmen sitzt der Akku. Zusätzlich ziert ein großes Display den Lenker. Es zeigt die Geschwindigkeit sowie den Rest-Akkustand an, per Knopfdruck auf „Plus“ oder „Minus“ kann die Unterstützung des Elektromotors eingestellt werden: Soll der Motor stark eingreifen (Sport-Turbo-Modus), sodass der Fahrer nur leicht in die Pedale treten muss? Oder soll sich die elektronische Unterstützung weitgehend zurückhalten (Eco-Modus), sodass der Fahrer selbst mehr Kraft aufbringen muss, um das 20 bis 28 Kilogramm schwere Gefährt zu bewegen?

Als schwebe man den Berg hinauf

Bei der Fahrt mit dem elektrounterstützen Mountainbike wird deutlich, dass diese manuelle Einstellung sehr gut funktioniert: Auf der Geraden sorgt die leichte Motorunterstützung für komfortablen Fahrspaß, wobei eine Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern rasch erreicht ist. Dann schaltet sich der Motor von selbst ab – gesetzliche Vorschrift. Will der Fahrer schneller fahren, muss er mit seiner Muskelkraft für Beschleunigung sorgen.

Seine wahre Stärke entfaltet das Pedelec, wenn es steil bergauf geht: Die Zabergäustaße hoch mit 25 Stundenkilometern. Im Sport-Turbo-Modus kein Problem. Dabei muss nur sanft in die Pedale getreten werden: Sensoren am Hinterrad vermitteln dem zwischen den Pedalen sitzenden Mittel-Motor im Falle eines Anstiegs, dass er das Pedalieren besonders stark unterstützen soll. Ein Gefühl, als schwebe man geradezu den Berg hinauf. Nie war Fahrradfahren in der Kesselstadt angenehmer.

Mit einer Akkuladung lässt sich, je nach Fahrverhalten und Stärke der Elektrounterstützung, bis zu 125 Kilometer weit fahren. Das entspricht der Strecke von Stuttgart nach Heidelberg. Danach muss der Akku für ungefähr dreieinhalb Stunden an einer herkömmlichen Steckdose aufgeladen werden. Wirklich anstrengend wird der Ausflug mit dem E-Bike nur ein einziges Mal, da ist die Fahrt allerdings schon vorüber. Beim Hochtragen des Rades macht sich sein stattliches Eigengewicht von mehr als 20 Kilogramm bemerkbar. Ich komme tatsächlich kurz ins Schwitzen. Es ist ein humaner Anstieg im Vergleich zu Stuttgarts Hügeln.