An der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Süd warten die Jugendliche schon lange auf eine Aufenthaltsfläche. Foto: Heinz Heiss

Die Jugendräte von Süd und Mitte fordern, dass der Gemeinderat sein Versprechen hält und den Bereich unter der Paulinenbrücke für Jugendliche umgestalten lässt. Doch die Stadtverwaltung macht den Jugendlichen einen Strich durch die Rechnung.

S-Süd/S-Mitte - Jeder Bericht über Spiel- und Aufenthaltsflächen für Kinder und Jugendliche in der Stuttgarter Innenstadt belegt eine Tatsache mehr als deutlich: Es gibt zu wenige davon. Umso ärgerlicher für die Jugendräte von Süd und Mitte ist, dass sie eine Fläche, die ihnen seit Jahren versprochen worden ist, plötzlich gar nicht mehr bekommen sollen: den Bereich unter der Paulinenbrücke. Die Stadtverwaltung hat nämlich das Nutzungsrecht für die Fläche einem Investor übertragen.

Dabei gibt es seit 2008 konkrete Planungen dafür, einen kleinen Teil des Rupert-Mayer-Platzes mitsamt der Fläche unter der Paulinenbrücke für Jugendliche umzugestalten. Die Umsetzung wurde jedoch mit Bekanntwerden der Großprojekte Gerber und Pauline 21 hintenangestellt. Aktuell sind nun lediglich Tiefgarageneinfahrten, Parkplätze und ein Café für die Fläche unweit der Marienkirche im Gespräch.

Jugendräte wurden falsch informiert

Dagegen wehren sich die Jugendräte, sie wollen den Bereich selbst nutzen können. Bis vergangene Woche dachten sie auch noch, dass sie dazu eine Chance haben. In einer gemeinsamen Sitzung der Jugendräte von Süd und Mitte nämlich präsentierte Andreas Hellmann vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt den Jugendlichen die Planung von 2008. Dass die Stadt über die Fläche unter der Paulinenbrücke gar nicht mehr verfügen kann, davon war am Mittwoch keine Rede.

Im Gegenteil, die Jugendlichen durften diskutieren, ob sie lieber eine Kletterwand oder doch eine Fläche für Sprayer wollten, durften sich Tischtennisplatte und Wasserspiele zusätzlich zu Basketballkorb und großen Sitzkissen aus Beton wünschen. Hellmann versprach, die Anregungen der Jugendlichen mitaufzunehmen und so weit möglich bei der Planung zu berücksichtigen. Sollte die Fläche unter der Paulinenbrücke aber für die Jugendlichen wegfallen, dann lohnt es sich kaum, am Rupert-Mayer-Platz überhaupt noch einen Bereich für Jugendliche zu planen. Der noch verfügbare Platz würde höchstens reichen, um eine Tischtennisplatte aufzustellen.

Fehlende Kommunikation in der Stadtverwaltung

Die Absprache innerhalb der Stadtverwaltung vor dem vergangenen Mittwoch war offensichtlich mehr als ungenügend. Hinzu kommt, dass im Stadtplanungsamt sogar für die Fläche unterhalb der Paulinenbrücke ein Café im Gespräch ist. Unabhängig davon gibt es sowohl von umliegenden Schulen und Kindergärten als auch von der Projektentwicklungsgesellschaft, die das Gerber betreut, Anfragen, unter der Paulinenbrücke Parkplätze zu bauen. Anfragen, die alle bei Axel Möhrle, dem Projektleiter des Bürogebäudes Pauline 21, landen.

Möhrle arbeitet für das Immobilienunternehmen Strabag, welches sich im Rahmen der Bauarbeiten zur Pauline das Nutzungsrecht für die Fläche unter der Paulinenbrücke gesichert hat. Für Möhrle hat zunächst oberste Priorität, die Fläche unter der Brücke so zu entwickeln, dass eine komfortable Zufahrt zur Tiefgarage des Bürogebäudes möglich ist. Dafür werde jedoch nicht die komplette Fläche gebraucht, deshalb beharre die Strabag auch nicht auf dem Nutzungsrecht für den gesamten Bereich, sagt Möhrle. Doch die unterschiedlichen Begehrlichkeiten sind so enorm groß, dass der Projektleiter nicht ohne Grund von einer „ganz vertrakten Situation“ spricht.

Forderung nach Ersatzflächen

Darin ist sich Möhrle mit Rupert Kellermann, dem Bezirksvorsteher von Süd, einig. „Da ist etwas grundsätzlich schief gelaufen“, sagt Kellermann. Er will das Thema schnellstmöglich wieder auf die Tagesordnung des Jugendrats setzen, damit diese wissen, unter welchen Voraussetzungen sie überhaupt diskutieren können.

Regelrecht empört ist Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin von Mitte. Sie hatte an der gemeinsamen Sitzung der Jugendräte teilgenommen und die Jugendlichen in ihrem Ansinnen unterstützt, den Platz für sich zu reklamieren. Dass das Tiefbauamt, in dessen Besitz die Fläche ist, gar nicht mehr das Nutzungsrecht hat, darüber war auch sie nicht informiert. „Ich bin völlig verärgert“, sagt Kienzle, angesprochen auf die veränderten Gegebenheiten.

Da Gerber und Pauline unabhängig voneinander geplant werden, spricht derzeit zudem einiges dafür, dass es – parallel zueinander – zwei getrennte Zufahrten zu den jeweiligen Tiefgaragen gibt. „Wenn dem so wäre, fällt die Fläche unter der Paulinenbrücke für die Jugendlichen weg und die Stadt muss sowohl für die Jugendlichen in Süd als auch für die in Mitte Ersatzflächen anbieten“, fordert Kienzle.

Noch kein neuer Platz für die Drogenabhängigen

Gedanken muss sich die Stadt auch noch über eine andere Gruppe machen: die Drogenabhängigen, zu deren angestammtem Treffpunkt der Platz unter der Paulinenbrücke geworden ist. Von den laufenden Bauarbeiten haben sich die Junkies nicht vertreiben lassen; sie campieren momentan am Rupert-Mayer-Platz rund um den Treppenabgang in Richtung Marienstraße.

Die Befürchtung, dass die Drogenabhängigen sich weiter unterhalb der Paulinenbrücke treffen wollen, ist auch einer der Gründe, warum derzeit von Investoren und Teilen der Stadtverwaltung so fieberhaft an alternativen Nutzungen für die Fläche gearbeitet wird. Für Frank Lebsanft von der Projektentwicklungsgesellschaft Phoenix, die das Gerber betreut, ist wichtig, dass die Menschen sich auch in der Umgebung des Gerber sicher genug fühlen, um die Einkaufsmöglichkeiten dort gerne zu nutzen. Obwohl das Gerber eigene Pläne für die Fläche in der Schublade hat, spricht aus Lebsanfts Sicht nichts gegen eine Nutzung der Fläche von Jugendlichen. „Das findet bei uns Unterstützung“, sagt er.

Das letzte Wort, was die Fläche unterhalb der Paulinenbrücke anbelangt, ist längst nicht gesprochen. Heute Abend diskutiert der Bezirksbeirat Mitte das Thema.