Selbstständige wie der Unternehmerin Bethlehem Tilahun Alemu aus Addis Abeba könnten von einer Handelskammer profitieren. Die IHK Reutlingen hilft beim Aufbau. Foto: dpa

Von der Alb aus wird beim Aufbau einer Handelskammer in Äthiopien geholfen. Das ostafrikanische Land will sich auf die Textilherstellung spezialisieren. Die neue Kammer soll auch Anlaufstelle für deutsche Investoren werden.

Stuttgart - Mit der vor einem Jahr geschlossenen sogenannten Kammerverbandspartnerschaft mit einer Provinz in Myanmar hat die IHK Reutlingen schon gute Erfahrungen gemacht. Jetzt streckt die Industrie- und Handelskammer von der Alb ihren Arm nach Afrika aus, in ein anderes Land, das sich auf Textilherstellung spezialisieren will. „Wir werden eine Kammerverbandspartnerschaft mit einer Provinz in Äthiopien beantragen“, bestätigte IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp unserer Zeitung. Die Entscheidung dafür sei während einer Markterkundungsreise mit der Landesgesellschaft Baden-Württemberg International in der vergangenen Woche gefallen.

Finanziell wird eine solche Partnerschaft vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der GIZ sowie der Entwicklungsorganisation der deutschen Wirtschaft, Sequa, getragen. Im Falle von Myanmar sind es 900 000 Euro, die den Reutlingern binnen drei Jahren für anfallende Kosten erstattet werden. An der IHK bleibt somit nichts hängen. Die Aufgabe der Partnerschaft besteht darin, eine Kammer ähnlich wie in Deutschland „von null“ an aufzubauen, sowie Strukturen für ein Mitgliederwesen, die Weiterbildung und den Aufbau von Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz zu schaffen.

Reutlinger IHK in der Textilwirtschaft verwurzelt

Wolfgang Epp führte in Äthiopien mehrere Gespräche mit Vertretern von Textilverbänden und Handelskammern: „Es ist sicher kein ganz einfaches Land, aber wir kriegen das hin. Unsere IHK hat eine Tradition, in schwierigen Märkten aktiv zu sein.“ Die Reutlinger IHK ist der Textilwirtschaft traditionell noch stark verbunden. Ganz uneigennützig ist das Engagement – das mit einer Entsendung von Personal und dem Transfer von Know-how verbunden ist – natürlich nicht. Geschäftsstellen der Partner im Entsendeland sind selbstverständlich auch erste Anlaufstellen für deutsche Investoren. „Im Falle von Myanmar erhalten wir schon Anfragen aus ganz Deutschland“, sagt Epp.

Bei Äthiopien denke man bevorzugt an Baden-Württemberg. Es gehe auch darum, kleineren und mittleren Betrieben einen Marktzugang zu verschaffen. Einen „Textile Help Desk“ für Äthiopien – ein Beratungsbüro – besteht in der IHK Reutlingen schon seit längerem. In welcher Provinz die Partnerschaft angesiedelt werden soll, ist noch nicht entschieden. Im Gespräch sind Oromia, Amhara oder Tigray – die jeweils Einwohnerzahlen von 33 Millionen, 20 Millionen beziehungsweise fünf Millionen aufweisen. Die äthiopische Wirtschaft ist landwirtschaftlich ausgerichtet. Mit dem Aufbau der Textilproduktion versucht die Regierung die Exporte anzukurbeln und Devisen zu erwirtschaften. Derzeit sind 60 Textil- und Bekleidungshersteller – vorwiegend Chinesen und Inder – im Land tätig. Das niedrige Lohnniveau lockt sie an, ein Monatslohn liegt bei rund 30 Dollar.

Sektor Textilproduktion soll massiv ausgebaut werden

Die Regierung will die Zahl der Textilarbeiter binnen vier Jahren von 50 000 auf 350 000 erweitern, die Zahl der Industrieparks soll von sechs auf 14 erhöht werden. Derzeit werden mit Textilexporten rund 100 Millionen Dollar (85 Millionen Euro) im Jahr erwirtschaftet, bis 2020 sollen es eine Milliarde Dollar sein. Auch Hersteller wie die britische Gruppe Tesco, Primark und H&M haben signalisiert, mehr in Äthiopien nähen zu lassen.