Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bleibt seiner Linie in der Asylpolitik auch in seiner Rede auf dem Bundesparteitag der Grünen treu. Foto: dpa-Zentralbild

Baden-Württembergs Ministerpräsident bleibt seiner Linie in der Asylpolitik treu - beim Bundesparteitag der Grünen in Hamburg hat Kretschmann diese trotz Protesten verteidigt.

Hamburg - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat nach heftigem Streit über die Asylpolitik die Zustimmung der grünen Parteibasis erhalten. Beim Bundesparteitag am Samstag in Hamburg stellte sich ein Großteil der gut 700 Delegierten hinter den einzigen grünen Regierungschef. Protest kam von der grünen Jugend.

Kretschmann verteidigte in einer leidenschaftlichen Rede sein Ja zum Asylkompromiss mit Union und SPD im Bundesrat und rief die Partei zur Geschlossenheit auf. Es seien massive Verbesserungen erreicht worden, etwa die Abschaffung der Residenzpflicht und die Lockerung des Arbeitsverbots. Durch den umstritten Kompromiss wurden Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer eingestuft. Im Gegenzug wurden Erleichterungen für Kommunen und Flüchtlinge beschlossen. „Das Recht auf Asyl bleibt weiter anerkannt“, betonte Kretschmann, dessen Rede mit langem Beifall bedacht wurde. Er habe „skrupulös“ mit sich gerungen, dann aber zugestimmt. „Ich gehe in kritischen Situationen immer auf Konsens.“ Weiter sagte er: „Nur, wer Kompromisse macht, kann auch von anderen welche erwarten.“

Vertreter der grünen Jugend unterbrachen den Beitrag kurz mit einer Protestaktion: Sie forderten auf Transparenten „Menschen aus allen Herkunftsländern: Welcome“ oder „Grundrechte sind keine Verhandlungsmasse“. Anträge von Kritikern, die Kretschmanns Verhalten verurteilen wollten, fanden keine Mehrheit. Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer twitterte: „Das befürchtete Scherbengericht ... ist ausgefallen.“ Der Bundesvorstand wollte mit seinem mehrheitlich gebilligten Antrag zur Flüchtlingspolitik Schuldzuweisungen verhindern und mahnte die Partei, jetzt wieder nach vorne zu schauen. Die Zugeständnisse im Asylkompromiss etwa bei Arbeitsmarktzugang und Residenzpflicht gingen in die richtige Richtung, reichten aber nicht. Der Antrag kritisiert die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer um die drei Staaten als „in der Sache falsch.“

Wende in der Agrarpolitik - für sichere und gesunde Lebensmittel

Die Parteivorsitzende Simone Peter warf der Bundesregierung und der EU Zynismus und eine unverantwortliche Politik vor. „Hilfe statt Abschottung“ müsse der Kern der Flüchtlingspolitik sein. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak in Deutschland müsse deutlich steigen. Dazu müsse der Bund die Kommunen mehr unterstützen.

Die Grünen wollen zudem mit einer grundlegenden Wende in der Agrarpolitik für sichere und gesunde Lebensmittel sorgen sowie Tierschutz und Klimaschutz voranbringen. Der Bundesparteitag verurteilte Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. In dem Beschluss werden die geplanten Handelsabkommen TTIP und Ceta mit den USA und Kanada abgelehnt, weil sie Lebensmittel- und Umweltstandards auszuhöhlen drohten.

„Die Agrarwende hat ökologisch eine ähnliche Bedeutung wie die Energiewende“, sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter. Vom schlechten Image als Verbotspartei, das sie sich mit der Forderung nach einem fleischlosen „Veggie Day“ eingefangen hatten, wollen sich die Grünen verabschieden. Zum Abschluss der Bundesdelegiertenkonferenz am Sonntag diskutiert der Parteitag über die Außenpolitik. Erwartet wird ein heftige Debatte über die von Parteichef Cem Özdemir unterstützten Waffenlieferungen in den Nordirak im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Bundesregierung habe bei Klimaschutz versagt

Der Grünen-Bundesparteitag hat der Bundesregierung Untätigkeit und Versagen beim Klimaschutz vorgeworfen. In einem am Samstagabend in Hamburg verabschiedeten Antrag heißt es, Deutschland müsse wieder eine Vorreiterrolle in der EU übernehmen. „Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz mit rechtsverbindlichen mittel- und langfristigen Emissionsminderungszielen.“ Der Klimagipfel 2015 in Paris werde zum „Ernstfall für den Klimaschutz“.

Der Grünen-Umweltminister in Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel, warf der schwarz-roten Bundesregierung „Verrat am Klimaschutz“ vor. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erfülle seine Aufgaben nicht. Alte Kohlekraftwerke müssten endlich vom Netz genommen werden. Sonst könne das Ziel einer Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) nicht erreicht werden.

Die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Annalena Baerbock, sagte, es dürfe in Deutschland keine neuen Tagebaue und Zwangsumsiedlungen als Folge der Braunkohleförderung mehr geben. Das sei beschämend in der internationalen Klimapolitik. Deutschland verliere damit seine Glaubwürdigkeit.