Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht am Samstag in der Stadthalle in Tuttlingen beim Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: dpa

Beim Parteitag der Grünen in Tuttlingen hat Ministerpräsident Kretschmann die CDU attackiert und für seine Asylrechtsentscheidung viel Zustimmung erfahren. Kretschmann will der CDU die Rolle als Wirtschaftspartei streitig machen.

Tuttlingen - Die baden-württembergischen Grünen wollen der CDU in ihren Kernfeldern Wirtschaft und Verkehr die Vorherrschaft streitig machen. Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Wochenende, die Grünen müssten eine neue klassische Wirtschaftspartei werden. Landeschef Oliver Hildenbrand warf der CDU beim Landesparteitag in Tuttlingen vor, sie habe die Verkehrsinfrastruktur im Südwesten jahrelang verrotten lassen.

Erst die grün-rote Landesregierung habe eine Kehrtwende eingeleitet. Scharfe Kritik gab es auch an der geplanten Pkw-Maut von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Kretschmann hielt der CDU vor, die neuen Herausforderungen für die Wirtschaft wie die Digitalisierung verpasst zu haben. Er warnte, dieses Thema zu vernachlässigen. „Deutschland geht es zurzeit wirtschaftlich gut, aber die Gefahr dabei ist, dass man dabei einschläft.“ Viele große Firmen und Mittelständler seien zwar bereits vorne mit dabei. Aber es müsse auch gewährleistet sein, dass das Thema Digitalisierung in der Breite der Unternehmen ankomme, damit diese im globalen Wettbewerb weiterhin bestehen könnten.

Die Grünen-Bundesvorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir unterstrichen Kretschmanns Worte: „Von Baden-Württemberg geht ein starkes Signal aus: Bündnis 90/Die Grünen sind die Partei, die die ökologisch-soziale Modernisierung der Wirtschaft voranbringt und sich den Herausforderungen der Zeit stellt.“

CDU-Landeschef Thomas Strobl konterte am Wochenende per Pressemitteilung: „Wer den digitalen Wandel verschläft, ist die grün-rote Landesregierung.“ So gebe Bayern viel mehr für den Breitbandausbau aus als Baden-Württemberg.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Ministerpräsident Kretschmann redet von Wirtschaftsfreundlichkeit, aber sein Handeln ist wirtschaftsfeindlich bis auf die Knochen.“ Als Beispiele nannte er das Tariftreuegesetz, mit dem Mindestlöhne durch die Hintertür eingeführt würden, und die neue Landesbauordnung, die Bauen verteure.

Kretschmann gegen Pkw-Maut

Nichts abgewinnen kann Kretschmann der geplanten Pkw-Maut und sprach sich erneut für eine satellitengestützte Maut aus. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) warf der Bundesregierung vor, sie wolle mit der Pkw-Maut vom eigentlichen Problem ablenken: dass der Bund für den Verkehrssektor zu wenig und zu unzuverlässig Geld bereitstelle. Auch aus den eigenen Reihen musste Kretschmann Kritik einstecken - wegen seiner Zustimmung zur schwarz-roten Asylrechtsreform im Bundesrat. Die Debatte auf dem Parteitag blieb sachlich. Am Ende stellten sich die meisten Delegierten hinter den Regierungschef: 180 von 223 stimmten für den Antrag des Vorstandes, der die Entscheidung gutheißt. Der Gegenantrag der Grünen Jugend bekam in der geheimen Abstimmung 39 Stimmen. Es gab vier Enthaltungen.

Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina gelten mit der Reform als sichere Herkunftsländer, in die Flüchtlinge schneller zurückgeschickt werden können. Der Landeschef der Grünen Jugend, Marcel Emmerich, kritisierte Kretschmanns Votum: Die gesellschaftliche Wahrnehmung sei, „dass die Grünen das Grundrecht auf Asyl beschnitten haben“. Andere verwiesen darauf, dass die ethnische Minderheit der Roma auf dem Balkan diskriminiert und ausgegrenzt werde. Das Thema wird auch beim Grünen-Bundesparteitag in zwei Wochen in Hamburg aufgerufen.

Landeschefin Thekla Walker nutzte auch dieses Thema zum Angriff auf die CDU mit ihren beiden Bewerbern um die Spitzenkandidatur, Landeschef Thomas Strobl und Landtagspräsident Guido Wolf. Die CDU habe keinen klaren Kurs und ihren Wertekompass schon lange verloren. Insbesondere Strobl warf die vor, Ängste auch auf dem Rücken von Flüchtlingen zu schüren. Das sei nicht nur berechnend und kaltherzig, sondern auch brandgefährlich. Dies hätten die Zugewinne der Rechtspopulisten in den östlichen Bundesländern gezeigt.

„Wir sind längst viel weiter im Land als uns die Biedermeier und Brandstifter der CDU und der Rechtskonservativen hier im Land glauben machen wollen“, sagte Walker. Landeschef Strobl konterte, Walker wolle „auf ziemlich billige Art“ von den Reibereien und dem Streit in der eigenen Partei ablenken. „Wir in der CDU sind der festen Überzeugung, dass wir den Menschen helfen müssen, die wirklich den Schutz unseres Asylrechts brauchen.“ Menschen, die nicht unter den Schutz des deutschen Asylrechts fallen wie „Wirtschaftsflüchtlinge vom Westbalkan“, müssten aber zügig zurück in ihre Heimatländer.